Mit dem Pferdewagen durch die Franche Comté 2016

Schon öfters hatten wir uns überlegt, mal etwas Abwechslung in unsere Urlaube zu bringen. Einige Male sind wir unterwegs schon am Rande mit Pferden in Berührung gekommen. Ulrike ist als Jugendliche jahrelang geritten, und ich habe schon ein paarmal auf solch einem Tier gesessen und konnte mir vorstellen, das mal etwas intensiver zu betreiben. So schwebte uns also ein einwöchiger Reiturlaub auf irgendeinem Hof vor. Angebote gab es da zwar durchaus, sogar die Hamburger Volkshochschule bot Kurse für Erwachsene an, aber alles, was ich gefunden habe, enthielt Beschränkungen auf 75 - 80 kg Menschengewicht, das waren für mich 20 kg zu wenig. Und nachdem ich von einem Hof in Dänemark auf eine Anfrage die Antwort bekam, sie hätten keinen "Gewichtsträger", gab ich es vorerst auf.

In meinem Ordner mit Ideen für Aktivitäten fand sich jedoch ein alter Ausschnitt aus der ACE-Zeitung, wo von Urlaub mit Pferdewagen in Frankreich berichtet wurde, und das schien eine passende Alternative. So buchten wir also bei der Auberge Le Sillet für eine Woche. Diese Farm lag im französischen Jura auf dem Plateau von Nozeroy nicht weit von Besançon, wo ich während des Studiums ein Semester lang gelebt hatte, die Gegend wollte ich schon lange einmal wieder besuchen.

Sa, 13.08.2016

Heute galt es zunächst, die weite Anreise zu bewältigen. Da diese knapp 1000 Kilometer betrug, wurde der Wecker auf der Einstellung für normale Arbeitstage belassen und klingelte um 600 Uhr. Immerhin leisteten wir uns den Luxus, frische Brötchen zu holen, bevor das Auto beladen und kurz nach 800 Uhr aufgebrochen wurde. Und mit dem Auto hatten wir neben der für unsere Verhältnisse quasi unbegrenzten Gepäckmitnahme ja auch den Vorteil, uns beim Fahren abwechseln zu können, was mit zwei Motorrädern ja nicht gegeben ist. So kamen wir zu Anfang auch richtig gut durch, sahen nur öfters den Stau auf der Gegenfahrbahn, bis es uns kurz vor Karlsruhe dann auch selbst erwischte. Da freute uns dann zusätzlich, dass Ulrikes Auto ja sogar über eine Klimaanlage verfügte, denn jetzt zeigte uns das Thermometer eine Außentemperatur nahe 30 °C an, gestern in Hamburg war das noch gefühlt die Hälfte bei viel Regen, hier schien hingegen die Sonne.

In Frankreich angekommen, gab es eine weitere Premiere, denn ich hatte bislang in diesem Land noch niemals eine gebührenpflichtige Autobahn erlebt. Es begann mit einem kurzen Abschnitts hinter Mulhouse, den ich so noch nicht kannte, früher konnte man hier noch ohne zu Zahlen durchfahren. Jetzt stand am Ende eine Reihe Sperren mit Automaten, die Münzen und Geldscheine (und Karten, aber die haben wir nicht ausprobiert) annahmen und an denen wir 2,80 € zahlen mussten. Dann ging es erst einmal ein Stück frei weiter. Da, wo "schon immer" die mautpflichtige Strecke begann und wo ich früher stets unmittelbar vorher abgefahren war, gab es wieder eine Reihe Schranken mit Automaten, an denen man eine Karte ziehen musste. An der Ausfahrt (bei Beaume-les-Dames) dann die gleiche Anordnung mit dem zu erwartenden Procedere: Karte einstecken, Geld bezahlen (4,90 €), Quittung ziehen, weiterfahren.

Die Sammlung Pferdewagen bei der <I>Auberge Le Sillet</I> Von hier waren es noch rund 100 Kilometer zu unserem Ziel, nun aber auf Landstraßen. Das ging hier durch richtig schöne Landschaft, und mehr als einmal hatten wir uns gewünscht, auf diesen Routen vielleicht doch lieber mit den Motorrädern unterwegs sein zu können. Schließlich wurde das Land ebener, die Ortschaften und die Straßen immer kleiner und verschlafener, und gegen 1830 Uhr erreichten wir in Longcochon unser Ziel. Auf dem Hof standen 4 hölzerne Wohn- und 2 Planwagen, aber für die erste Nacht hatten wir noch ein Zimmer gebucht. Und auch kochen mussten wir heute noch nicht, sondern bekamen lecker zu essen.

So, 14.08.2016

Unser Wagen Inneneinrichtung - Sitzecke bzw. Bett Nach dem Frühstück mussten wir zwar unser Zimmer räumen, konnten aber direkt in unseren Wohnwagen, die Roulotte, umziehen. Das war, zumindest nach meinem Geschmack, der schönste der Wagen, die hier standen, mit künstlerisch gemalten Ansichten auf den Seitenwänden. Ansonsten hatte er innen zwei Sitzbänke, die sich zusammen mit dem Klapptisch dazwischen zu einem Doppelbett umfunktionieren ließen, eine Küchenzeile mit zweiflammigem Gaskocher und Spüle auf der einen und ein Sideboard auf der anderen Seite. Darin gab es etwas Geschirr und Besteck und daneben etwas Platz für einen Wasserkanister und eine Kühlbox, deren Kühlelemente bei jeder Etappe ausgewechselt oder kaltgestellt werden konnten. Die Tür nach draußen ließ sich geöffnet feststellen und führte vorne auf eine Plattform mit je einer Sitzkiste rechts und links, abgeschlossen wurde sie nach vorne durch ein leicht schräg stehendes Gatter, zu den Seiten konnte man auf- und absteigen. Hinten gab es noch eine zweite kleine Plattform, auf welcher der Futtereimer stand und wo wir unsere mitgebrachten Stahlrosse, ein Klappfahrrad und mein Einrad, verzurren konnten.

Unser Zugtier, "Unithède" geheißen Alles wurde verstaut, und dann erhielten wir von Patron Martial zunächst eine Einweisung in unsere Route. Dazu bekamen wir sowohl drei einlaminierte Karten in 1:25.000, auf denen mit farbigen Stiften die Strecken für jeden Tag eingezeichnet waren, wie auch eine Mappe mit Beschreibungen (in französischer Sprache) der Fahrtstrecken, Etappenziele, Einkaufsmöglichkeiten, Telefonnummern für den Notfall etc. wie auch Skizzen der jeweiligen Pausen- und Übernachtungsplätze. Sodann wurde uns unser Pferd vorgestellt (ein Comtois, als "mit festem Schritt, mutig und gelehrsam" beschrieben, und dieses hier hörte auf den etwas ungewöhnlichen Namen "Unithède") und gezeigt, wie man es aufzäumt und anschirrt. Das war nun schon nicht mehr ganz so einfach, denn natürlich fehlte mir hier das komplette Fachvokabular, aber Thomas, vermutlich der Schwiegersohn von Martial, machte das auf eine sehr sympathische Weise.

Auf geht's! Dann starteten wir auf die für den ersten Tag angesetzte Rundtour zur Einweisung, wo wir auf den ersten Kilometern von Thomas begleitet wurden. Dabei lernten wir verschiedene Dinge: Zunächst einmal lautet das Kommando zum Losfahren auch in Frankreich "Hü!", aber mit französischem Akzent, also "Y!" mit nicht gesprochenem französischem H. Zum Anhalten Zügel ziehen und "Hoo", ebenfalls ohne H, also "Oooooo!". Dann neigte unser Pferd dazu, in der Mitte der Straße zu laufen, so dass man es stets leicht mit den Zügeln dirigieren musste. Und es konnte passieren, dass das Tier unterwegs anhielt, um zu verschnaufen. Thomas sagte, auf Steigungen habe es das Recht dazu, nicht jedoch in der Ebene oder bergab. Immer, wenn das passierte, musste einer von uns die erste Bremse, ein langes Rohr, ziehen und der andere loslaufen und einen Keil unter das Hinterrad legen, damit die Fuhre nicht wieder zurückrollte. Dieser Keil musste natürlich wieder eingesammelt werden, wenn es nach einiger Zeit weitergehen sollte ("Y!"). Auf Gefällestrecken schließlich mussten wir die zweite Bremse, eine kleine Kurbel, benutzen, um zu verhindern, dass der Wagen das Pferd schob. Diese Bremse war natürlich idealerweise so zu dosieren, dass unser Wagen genau die gleiche Geschwindigkeit hatte wie das Zugtier, es also einfach nur mitlaufen musste. Und wenn es steiler bergab ging, wurde das Anziehen dieser Bremse zu einem Kraftakt, ich brauchte dafür beide Hände, musste die Zügel abgeben und merkte am Abend deutlich meine Arme, die Kurbel war zu kurz dimensioniert und diese Kutscherei somit definitiv ein Job für zwei Personen. So habe ich auch ganz schnell meine ursprüngliche Idee, vielleicht auf einigen Abschnitten mit dem Einrad nebenherzufahren (ich kann noch nicht frei aufsteigen und brauche dafür immer einen Laternenmast zum Festhalten - oder eben den Wagen) ad acta gelegt.

Einschwenken auf einen Parkplatz Aber davon abgesehen war das eine sehr gemütliche Art der Fortbewegung. Es ging im Schritttempo vorwärts, man konnte durchaus nebenhergehen und auch während der Fahrt auf- oder absteigen. Das tat auch Thomas irgendwann und ging zu Fuß zurück zum Hof, beim avisierten Pausenplatz wollte er uns dann wieder treffen. Wir fuhren in aller Gemütsruhe weiter, in Essavilly rechts ab auf die Rue du Communal, auf dieser wieder aus dem Ort heraus und schließlich links auf die D286.

Am vorgesehenen Pausenplatz sollten wir eigentlich am Rand der Straße parken. Aber Thomas hatte seinen Transporter auf einer Weide abgestellt, und wir sollten ihm dorthin folgen. Hier gab es nämlich Schatten, und der war bei der großen Hitze heute sicherlich allen sehr willkommen. Natürlich durften wir nie einfach so auf irgendwelche Felder fahren, aber hier hatte er das mit dem Besitzer vorher geklärt. Er guckte zu, wie wir unsere Unithède ausspannten und abhalfterten, korrigierte hier und da noch etwas, dann wurde das Tier mit einer langen Kette an einem Baum angebunden und bekam einen Eimer voll Wasser. Und um 1530 Uhr wollte er wiederkommen und noch einmal kontrollieren, wie wir es wieder aufgezäumt und eingespannt hätten, bevor es weitergehen sollte. Das erschien mir zwar etwas spät, aber wenn das Pferd so lange ausruhen müsse, dann müsse das eben sein. Thomas meinte aber, unser Zugtier bräuchte die Pause nicht, aber er selbst hätte bis 3 Uhr eine Reitgruppe und könne nicht früher kommen. Und ich machte mir bewusst, dass wir ja hier auf einer entschleunigten Tour waren und eigentlich überhaupt nichts dagegen sprach, 3 Stunden auf dieser Weide zu verbringen. Und so taten wir das auch und genossen die Ruhe.

Pünktlich war Thomas wieder da, beim Aufbruch ging alles reibungslos von statten, und bald waren wir wieder unterwegs. Die Straße führte uns nach Mignovillard, dort ging es links ab auf die D35 nach Essavilly und dann den Weg wieder zurück, den wir gekommen waren. Dort wurde dann abgespannt, Unithède bekam zunächst einen Eimer Wasser und dann auch Kraftfutter (eine genau bemessene Ration von 3 Konservendosen als Messbecher) vorgesetzt. Dann duschte Martial sie noch mit einer Wasserbrause ab, bevor wir sie auf die Weide bringen durften. Hier standen schon ein paar andere Pferde, von denen viele unserem sehr ähnlich sahen, die waren schließlich alle von derselben Rasse. Die Farbgebung gefiel uns richtig gut, mittelbraun mit blonder Mähne, so ähnlich wie Haflinger. Letztendlich konnte man einige der Tiere aus unserer Sicht nur an kleinen weißen Fellflecken auf der Stirn unterscheiden, die alle etwas unterschiedlich ausgebildet waren, und wir merkten uns unseres genau.

Und da wir nun wieder hier auf der Farm waren und das Essen gestern uns gut geschmeckt hatte, haben wir auch für diesmal wieder Abendessen und Frühstück bestellt.

Tagesstrecke 9,8 km

Mo, 15.08.2016

Wir waren angewiesen worden, unserem Pferd mindestens zwei Stunden vor Aufbruch seinen Futtereimer zu geben, was wir auch taten (und ja, wir erkannten es wieder), bevor wir selbst uns zum Frühstück begaben. Danach wurde angespannt und ein letztes Mal vom Patron kontrolliert, und los ging es.

Pause unterwegs Wobei es gerade zu Anfang alles andere als zügig losging. Unser Pferd hatte anscheinend mitbekommen, wie uns gestern gesagt wurde, an Steigungen hätte es das Recht, Pausen zu machen, und davon machte es jetzt reichlich Gebrauch. Schon an der ersten Steigung hielt es immer wieder an, ging zeitweise gerade mal 30 Meter weit. Mehrfach haben wir es dann an die Seite ziehen müssen, denn wir hatten damit in dieser Form nicht gerechnet und also auch nicht unbedingt darauf geachtet, ganz rechts zu bleiben, und auf dieser schmalen Straße kamen manchmal eben doch auch ein paar Autos. Aber wir fassten uns in Geduld, und eine Weile, nachdem die erste Steigung überwunden war, ging es dann besser.

Unsere Route führte uns zunächst den gleichen Weg wie gestern, in Essavilly aber geradeaus weiter, über Froidefontaine nach Mignovillard. Dort bogen wir rechts ab auf die D340 und an der nächsten Abzweigung noch einmal rechts. Dann kam der vorgesehene Pausenplatz, ein Parkstreifen, wo man wohl mal eine Kurve entschärft und den alten Belag teilweise liegengelassen hatte. Hier wurde nun wieder abgespannt und das Pferd im Schatten eines Baumes an denselben gekettet.

An dieser Stelle hatten wir uns mit der Familie von Ulrikes Schwester aus Karlsruhe verabredet, die gerade auf dem Rückweg von einem Paddelurlaub an der Dordogne waren. Bald trafen sie auch ein. Nach Begrüßung, ausgiebigem Staunen und gucken ihrerseits und kurzem Erzählen beiderseits haben wir die beiden Kinder dann zu uns mit auf den Wagen genommen, während die Eltern zum Einkaufen geschickt wurden, da diese mit einem modernen PKW diesbezüglich doch deutlich flexibler waren als wir. Wir fuhren jetzt wieder ein Stück zurück, in Mignovillard jedoch geradeaus weiter bis nach Petit Villard, wo am ersten Haus rechts unser heutiger Übernachtungsplatz sein sollte.

Angekommen am ersten Etappenplatz: Unser Pferd hat Ruh', und der Kutscher auch Dort wurden wir vom Betreiber einer gar nicht mal kleinen Herberge herzlich empfangen, wir bekamen gezeigt, wo wir den Wagen abstellen, das Pferd auf die Weide bringen und sanitäre Anlagen finden konnten, und auch die Karlsruher durften hier zelten. Bis die allerdings vom Einholen wiederkamen, dauerte das eine ganze Weile, denn heute war Mariä Himmelfahrt und deswegen die meisten Geschäfte geschlossen, was uns als "Heiden" natürlich alles andere als bewusst war.

Zum Abendessen für immerhin 6 Personen war großes gemeinsames Kochen geplant auf dem Trangia und dem MSR Whisperlite der Camper sowie den zwei Gasflammen in unserem Wagen. Aber kaum kochte das Wasser, war das Gas in der Flasche unter unserer Spüle alle. Unser Wirt hatte auch keinen Ersatz, aber er rief sofort in Longcochon an. Ich hatte zwar betont, dass wir uns bis morgen mit den Campingkochern behelfen können, aber Martial kam sofort vorbei. Letztendlich war das dann auch gut so, denn er musste die Flasche offenbar mitnehmen, um sie morgen früh tauschen zu können. Mit etwas Verzögerung bekamen wir unser Essen warm, anschließend spielten meine Neffen gemeinsam mit ein paar Kindern der Feriengäste Fußball (das ging auch prima ohne gemeinsame Sprachkenntnisse), und wir guckten zu, ein Glas Rotwein (Côtes du Jura aus der Gegend hier) in der Hand, während in der Ferne ein Gewitter grummelte.

Tagesstrecke 7,7 km

Di, 16.08.2016

Beim morgendlichen Gang zur Toilette traf ich auf meinen älteren Neffen, der mich darauf hinwies, dass unser Pferd verlangen würde, dass ich etwas täte. Und tatsächlich, Unithède stand am Weidezaun und forderte ihren Futtereimer. Das ging "Hrrhrrhrrhrr!" (Stampf!) (zwei Schritte zur Seite) "Hrrhrrhrrhrr!" (Stampf!) solange, bis ich mit dem Verlangten kam.

Nach einem ausgiebigen Frühstück hieß es Abschied nehmen von den Karlsruhern, sie fuhren heute nach Hause. Unser Urlaub hingegen hatte ja gerade erst begonnen, und wir genossen das gemächliche Dahinzockeln heute sehr. Zunächst ging es zurück nach Mignovillard, dort bogen wir links ab und folgten der Straße, bis linker Hand ein großes Sägewerk auftauchte. Ich mag ja den Geruch von frisch bearbeitetem Holz außerordentlich gerne. Und der stand auch in krassem Gegensatz zu dem Duft von unserem Pferd, wenn es unterwegs genüsslich einen fahren ließ, was es nämlich ganz gerne mal tat. Wir Menschen saßen dann ja unmittelbar dahinter und konnten nicht umhin, das zu bemerken, selbst wenn man die Geräusche dabei außer Acht ließe. Das hatte auch meine beiden Neffen gestern schon stark amüsiert, und als wir nach dem Duschen unsere Handtücher zum Trocknen über das Gitter vor den Kutschböcken drapierten, sprach der jüngere der beiden Buben von einem "Furzfänger".

Weiter geht's auf ganz kleinen Straßen Nachdem wir hinter der Scierie rechts abgebogen und Unithède auf die eben beschriebene Weise den Nachbrenner eingeschaltet hatte, gab sie Gas und verfiel auf einem kurzen Stück ganz von alleine in leichten Trab. Zuerst war uns dabei etwas mulmig zu Mute, aber solange sie das freiwillig machte und dabei immer noch schön die Spur hielt, ließen wir sie gewähren, und das dauerte dann auch gar nicht lange. Unser Wagen war vermutlich eben doch recht schwer. Aber jetzt waren wir in einem größeren Waldstück, und das bedeutete Schatten, das war sehr angenehm. An dessen Ende sollte dann auch der heutige Pausenplatz kommen. Die kleine Lichtung rechts war jedoch sehr zerfurcht von Reifenspuren, so dass wir uns nicht richtig darauf trauten und den Wagen am Straßenrand stehen ließen. Aber während der mehr als zwei Stunden, die wir hier verweilten, kam auch gerade mal ein einziges Auto vorbei. Und hier konnte ich den Wagen dann tatsächlich mal als Aufsteigehilfe zum Einradfahren benutzen. Aber die Landschaft war hier keineswegs eben, und sowohl Steigungen wie Gefälle erschwerten das Fahren für mich doch sehr, dass ich die Trainingseinheit doch sehr schnell für beendet erklärte.

Bei der Weiterfahrt merkten wir, dass wir die Pausenstelle ein paar hundert Meter zu früh vermutet hatten. Der eigentlich vorgesehene Platz war ebener, hatte aber nicht ganz so viel Schatten zu bieten. Aber die Entscheidung war nun einmal gefallen, so fuhren wir einfach weiter und kamen langsam wieder in offenere Landschaft. Am Ortsrand von Mignovillard wandten wir uns nach links und kamen bald wieder an unserem Pausenplatz von gestern vorbei. Weiter auf der D340 kamen wir zu dem kleinen Ort Le Sillet, der nur aus ein paar Häusern bestand und wo unsere Fahrt heute enden sollte. In der Beschreibung hieß es "die letzte Farm im Weiler", und dort stand auch schon ein Pferd auf der Weide. Heute früh beim Montieren der Gasflasche erwähnte Thomas nämlich, dass wir heute Abend noch Gesellschaft von zwei weiteren Roulottes bekommen würden. So sind wir, auch wenn das Gelände nicht ganz so aussah wie auf der Skizze, dort links auf die Auffahrt gefahren. Das erwies sich jedoch als falsch. Aus dem Haus kam eine junge Frau mit einem Säugling auf dem Arm und sagte, unser Ziel wäre weiter hinten die Straße entlang. Wenden war auf der Auffahrt nicht möglich, also versuchten wir es mit Rückwärtsfahren. Nun habe ich zwar meine Jugend auf dem Land verbracht, dort auch bei den Bauern geholfen und weiß prinzipiell schon, wie sich ein zweiachsiger Anhänger mit Drehgestell rangieren lässt. Und unser Pferd konnte grundsätzlich auch rückwärts gehen (zum Anschirren wird es rückwärts zwischen das Deichselpaar geführt), aber es war hierbei doch sehr unwillig, und so ließ sich die Fuhre nicht so exakt steuern, wie es nötig gewesen wäre. Also mussten wir Unithède ausspannen, "den Karren selbst aus dem Dreck ziehen" bzw. wenden, anders herum wieder einspannen und noch ein Stück weiter (die Frau sagte "300 Meter", das waren aber deutlich mehr).

Unser Hof schließlich war weit ab von den letzten Häusern und total und seit langem verlassen. Aber uns war das nur recht, so konnten wir uns unseren Stellplatz nämlich frei aussuchen (Schatten!). Lange, nachdem wir uns eingerichtet hatten, kam Thomas mit seinem Lieferwagen angefahren. Er erzählte, da käme gleich ein Wagen, der von einer Frau gefahren werde, die mit ein paar Kindern alleine unterwegs wäre und der man etwas helfen müsse. Während wir auf deren Ankunft warteten, zeigte mir in der Scheune ein paar Schlitten, mit denen im Winter kürzere Touren gefahren würden. Er hätte die Kufen von umliegenden Höfen aufgekauft, wo sie jahrzehntelang irgendwo unbeachtet gelegen hätten, und die Aufbauten eigenhändig wieder hergerichtet bzw. neu aufgebaut. Und ich erfuhr, dass unser Zugtier jetzt 8 Jahre alt war. Sie hatten Unithède mit vier Jahren gekauft, dann einen Sommer lang trainiert, und bald würde sie ihre dritte Saison vor der Roulotte hinter sich haben.

Zigeunerwagentreffen beim verlassenen Hof Bald kamen die beiden fehlenden Wagen an, und zwar fuhren sie zusammen. Sie waren beide voller Kinder, und eines davon hatte auch noch ein Reitpferd dabei. Und der Mann von dem einen Wagen schien sich auch um die Frau mit dem zweiten Wagen ein bisschen zu kümmern. Thomas schloss einen Gartenschlauch an und verpasste den neu eingetroffenen Pferden eine Dusche. Als ich dazukam und fragte, ob ich Unithède, die wir natürlich schon längst auf die Weide gebracht hatten, auch noch mal holen sollte, meinte er, das sei hauptsächlich für die Kinder, obwohl es den Pferden natürlich auch gut tun würde, um nach der Anstrengung den Puls schneller herunterzubekommen. Unser Tier stand aber erstens schon eine Weile ruhig auf der Weide und kam zweitens nun heran, weil es sich freute, jetzt Gesellschaft zu bekommen, und dabei bekam es auch gleich eine Ladung mit ab. Danach wälzten sie sich allesamt kollektiv im Gras, so dass morgen wohl gebürstet werden musste.

Der <I>Lapiaz du Sillet</I> Nachdem alle Arbeiten überall erledigt waren, nahmen wir alle zusammen das Angebot von Thomas an, uns hinten in seinem Lieferwagen zum nahegelegenen Lapiaz du Sillet zu bringen. Dabei handelte es sich um eine sogenannte Karre, eine sehr verwunschen im Wald gelegene Felsplatte, in welcher die Erosion massenhaft feine Risse und Spalten erzeugt hatte. Das machte Kindern wie Erwachsenen großen Spaß, darauf herumzuspazieren, man hatte ein Bisschen den Eindruck, über ein Labyrinth für Liliputaner hinwegzuspazieren, und an ein paar Stellen waren die Spalten groß genug, dass auch wir Menschen dort hinuntersteigen konnten.

Zurück ging es einen kleinen Spaziergang zu Fuß. Und zum Abendessen stellten wir uns Tische und Bänke, die wir in der Scheune fanden, draußen neben die Wagen, später gab es dann noch ein kleines Lagerfeuer. Auch heute hörten wir wieder etwas Donnergrollen in der Ferne, aber bei uns blieb der Himmel durchweg klar.

Tagesstrecke 11 km

Mi, 17.08.2016

Als ich um 700 Uhr aufstand, hatte der Mann der Familie die Tiere inclusive auch unserem allesamt schon gefüttert, und zwar hatte er sie alle der Reihe nach herausgeholt, damit nicht eines dem anderen das Futter wegfrisst. Von dem Gestampfe der Hufe auf dem Pflaster sind wir nämlich wach geworden. Heute früh war es um diese Zeit noch ziemlich frisch, aber das gab sich schnell, sobald sich die Sonne zeigte.

Unsere Routen waren allesamt sehr einsam Die beiden anderen Wagen fuhren heute zurück nach Longcochon, uns hingegen führte der Weg weiter über die Orte Cerniébaud und Fraroz. Als Picknickplatz war dahinter ein Parkplatz auf freier Strecke vorgesehen, wo man sehr schön auf einen kleinen See gucken konnte. Auch eine Tisch-Bank-Kombination war vorhanden, die sogar noch im Schatten eines Baumes stand, an dem wir unser Zugtier anbanden. Das führte allerdings zu sehr begehrlichen Blicken in dem Moment, als wir unsere Pausenkekse auspackten. Aber da wir ihm ja sein Gras und Kraftfutter auch nicht streitig machten, aßen wir unsere Kekse alleine. Im nächsten Ort sollte laut unseren Unterlagen ein Geschäft in einer halben Stunde schließen, so fuhr ich mit dem Klapprad hin in der Hoffnung, vielleicht etwas Fleisch für das Abendessen zu ergattern. Aber es gab hier nur "regionale Produkte", was lebensmitteltechnisch nur Wurst, Käse und Wein bedeutete. Von letzterem nahm ich dann immerhin zwei Flaschen mit. Und auch eine Flasche Macvin, ein Likörwein, den wir in Longcochon als Aperitif genossen hatten, fand den Weg in meinen Einkaufsbüdel.

Pause am <I>Étang</I> In Arsure Arsurette und Bief-des-Maisons, wo theoretisch beide Male nach rechts abgebogen werden konnte in Richtung Longcochon, lief unser Pferd zwar an der Kreuzung noch brav geradeaus weiter bzw. links herum, wurde danach aber plötzlich gaaanz langsam, und wir spürten es förmlich so etwas sagen wie: "Was, hier soll das weitergehen? Ist das euer Ernst? Denkt da doch lieber nochmal drüber nach, ja? Ich würde euch ja raten, den anderen Weg zu nehmen..." Eine Weile später ging es jedoch eine Steigung so energisch an, als hätte es sich mit seinem Schicksal abgefunden und würde sagen: "Dann bringen wir es jetzt hinter uns!"

Am Ende von Grand Chalesme sollte unser nächstes Etappenziel sein. Wir rollten auf den Hof, aber es schien niemand anwesend zu sein. Es gab ein Wohnhaus, das einen nicht ganz fertiggestellten Eindruck machte, unter anderem guckte neben der Tür ein zweiadriges Kabel aus der Wand, wo ich eigentlich einen Klingelknopf erwartet hätte. Die Anlage selbst war aber schon älter, und wir fanden alles vor, was wir so brauchten: Die Pferdeweide neben dem Haus, gegenüber ein kleines Gebäude mit Dusche, Toilette, Kühlschrank und Futtertonne. Direkt dahinter gab es ein Gehege, in dem ein paar Gänse, ein Truthahn, mehrere Enten und ein paar Hühner mehr oder weniger einträchtig lebten und bei unserem Kommen gehörig Krach machten. Gleiches galt auch für einen Schwung Hunde, die weiter hinten vor einer Scheune in einem Zwinger untergebracht waren. Aber bald beruhigten sich die Tiere wieder.

Am Rande der "Ebene" Neben der Pferdeweide war ein ausrangierter Renault Clio abgestellt, bei dem die CT-Plakette (Contrôle Technique, das französische Äquivalent zu unserem TÜV) vor 6 Jahren abgelaufen war. Dieser Wagen diente offenbar als Altglascontainer, der ganze Raum hinter den Vordersitzen war bis auf Höhe der Fensterscheiben voll mit leeren Glasflaschen, hauptsächlich für Bier. Da haben wir dann nach dem Abendessen unsere Weinflasche auch dazugetan. Etwas später fuhr ein Auto vor, eine Frau stieg aus und meinte, die Bewohner hier seien verreist und sie sei einfach mal gucken gekommen, ob alles in Ordnung ist. Noch später kam ein Mann, der aber mit uns kein Wort sprach, und hat die Hunde und Gänse gefüttert. Unser Pferd meinte, bei der Gelegenheit auch noch einmal kurz Futter einfordern zu können "die kriegen doch auch was da!", aber das verfing uns nicht.

Tagesstrecke 12,6 km

Do, 18.08.2016

Als ich noch vor sieben aus dem Wagen stieg und zur Toilette wollte, zeigte Unithède schon verbal auf die Uhr und wollte gefüttert werden. Und auch nach unserm Frühstück kamen weiterhin fordernde Geräusche von der Weide, offensichtlich fühlte sie sich hier auch noch einsam. Und bald waren wir ganz gerne bereit, dem Wunsch nach Action nachzukommen, denn am Himmel zog es dunkel drohend auf. Gerade noch rechtzeitig bekamen wir angespannt, die ersten Tropfen fielen schon, und gleich danach zogen wir die Regensachen an. Es schien also, als habe unser Tier nach dem Frühstück berechtigterweise sagen wollen: "Seht zu, dass ihr in die Hufe kommt, das gibt gleich Wasser von oben!" Und unser Wagen hatte zwar ein vorstehendes Dach, das jedoch nicht weit genug nach vorne reichte, so dass die Fahrrad-Regenhosen, die wir sicherheitshalber mitgenommen hatten, sehr willkommen waren.

Typische Ortsdurchfahrt, aber hier hätte ich dem Verlauf der Hauptstraße folgen sollen In Bief-des-Maisons war es offenbar der falsche Zeitpunkt, an dem ich dachte, ich könne ja während der Fahrt mal schnell Fotos von einem typischen Ortskern der Dörfer in dieser Gegend machen. Denn unmittelbar danach merkte ich am Verhalten unseres Pferdes, dass ich wohl nicht die richtige Route genommen hatte. Zunächst lenkte ich noch ein Stück weiter in der Hoffnung, noch einen Abzweig zu finden, der uns wieder auf den rechten Weg brachte. Aber dann kam der Ortsausgang, und mit ihm eine ziemliche Steigung. Da mussten wir nun also auch noch hoch, wenden konnten wir hier nicht, auch wenn Unithède das immer wieder versuchte. Denn links war zwar ein breiter Grasstreifen ohne Zaun, aber der war zu steil und abschüssig, sehr wahrscheinlich hätten wir dabei den Wagen umgeworfen. Nachdem Unithède dann aber merkte, dass ich ihr das Wenden nicht erlaubte, verweigerte sie einfach den Dienst und blieb stehen. Mit meinen Versuchen, sie doch noch weiterzutreiben, verschlimmerte ich die Lage noch, denn sie ruckte dann immer nur kurz an, und der Wagen hüpfte dann wieder zurück auf den Keil, den Ulrike zwar längst hinter das Hinterrad gelegt hatte, der inzwischen aber schon ganz quer lag und sich so auch nicht zurechtrücken ließ. Und mit dieser verfl###ten Bremse alleine ließ sich der Wagen hier sicher nicht halten. Da half jetzt nur eines: Schnell abspannen, den Wagen mit der Pferdekette zusätzlich an einem Zaunpfosten rechts sichern und in Longcochon anrufen und um Hilfe bitten. Dann standen wir eine halbe Stunde im Regen (in den Wagen trauten wir uns nicht), und ich dachte kurz an meine Jugendzeit zurück, als ich auf die Frage, ob ich denn nicht auch mal Reiten lernen wolle, immer argumentiert hatte, meine Kreidler würde wenigstens immer das tun, was ich ihr sage.

Als Thomas schließlich kam, hängten wir die Roulotte zunächst mit der Kette an die Anhängerkupplung von seinem Lieferwagen und brachten sie ganz nach oben auf den Hügel, wo auch genug Platz für das Wendemanöver war. Wieder hinunter würde das so jedoch nicht funktionieren, weil dann die Kutsche ja alleine rollen und vom Auto gebremst werden müsste. So ging Thomas also los und trieb im Ort einen Bauern mit einem Traktor auf. An dem konnten wir die Kette in das vordere Zugmaul einhängen und die Kutsche so sicher nach unten bringen.

Die Steigung, die unser Pferd verweigert hat Ulrike brachte derweil das Pferd hinunter. Dort gab es zwischen den Häusern allerdings keine Gelegenheiten, es anzubinden. Schließlich fand sie einen senkrechten Balken und beschloss, den zu nehmen, allerdings stand direkt daneben ein Blumenkübel, dessen Inhalt sie dann gegen das Tier verteidigen musste. Immer wieder gerne erzählte sie in solchem Zusammenhang die Geschichte von einem Ausritt im Kreis Lüchow-Dannenberg, wo sie als jugendliche mit ihren Eltern immer die Sommerferien verbrachte. Da wollte sie sich nur mal kurz einen Pullover aus dem Haus holen und hat solange ihr Reitpferd einfach auf dem Rasen stehengelassen. Die Gartenpforte war zwar geschlossen, jedoch ging das Tier schnurstracks um das Haus herum, und dann hatte die Familie keinen Brokkoli mehr zu ernten in jenem Jahr. Aber hier die Blumen haben es überlebt.

Nozeroy Ohne weitere Zwischenfälle und inzwischen auch wieder bei trockenem Wetter erreichten wir unser heutiges Ziel, ein Fußballfeld unterhalb der Stadt Nozeroy. Neben dem Umkleidehaus sollten wir den Wagen aufstellen und in Longcochon anrufen, sobald wir eingetroffen wären. Bald kam auch Martial, brachte uns den Schlüssel zum Containerwagen nebenan und erklärte uns, wo wir den morgen wieder abgeben sollten. Dann konnten wir mit ihm mitfahren in die Stadt, die zwar auch zu Fuß erreichbar gewesen wäre, aber so war es doch bequemer. Nozeroy wurde als "kleinste Stadt Frankreichs" beworben und war auch richtig schnuckelig. Wir wanderten durch die paar mittelalterlich anmutenden Gassen, es gab einen zentralen Platz, wo man vor einem Lokal draußen sitzen und ein Kaltgetränk genießen konnte, und wir besuchten die Kirche, die uns mit schönen bunten Glasfenstern erfreute. Wir konnten unsere Lebensmittelvorräte auffüllen, und es gab sogar Postkarten zu kaufen. Diesbezüglich hatte ich vor der Abfahrt die Erwartungen der potentiellen Empfänger stark gedämpft, weil ich mir nur schwer vorstellen konnte, auf einer solchen Tour über ganz kleine Dörfer welche zu finden.

Bei der Rückkehr wurden wir mit Wiehern begrüßt, wobei das sicherlich weniger unserem sympathischen Wesen geschuldet war als vielmehr dem Umstand, dass es eben wir waren, die gleich mit einem Eimer voll Kraftfutter antraben sollten. Nachdem das zu Unithèdes Zufriedenheit geschehen war, wollte ich die Dusche benutzen. Ulrike fragte, ob ich die Taschenlampe mitnehmen wolle, aber der Containerwagen sollte mit Solarstrom versorgt sein, und ich hatte das Licht leuchten sehen, als Martial uns vorhin alles gezeigt hatte. Aber nun blieb die Lampe dunkel. Im Geiste sah ich mich bei meiner Rückkehr zu Ulrike sagen, sie solle einfach davon ausgehen, dass es kein Licht gäbe, dann würde sie keine Enttäuschung erleben. Dann betrat ich die Dusche - und erlebte eine Enttäuschung. Ohne Strom gab es auch kein Wasser, nicht einmal kaltes. Da es aber noch einen funktionierenden Wasserhahn gab, an dem wir Kanister und Pferdeeimer füllen konnten, beschlossen wir, jetzt nicht zum dritten Mal heute in Longcochon anzurufen und jemanden kommen zu lassen.

Eine Weile danach fand sich nach und nach eine Gruppe 14-jähriger Jungen ein, und auf dem Fußballplatz startete ein Trainingsabend. Der Übungsleiter, der uns kaum älter als 20 Jahre alt vorkam, musste offenbar auch noch trainiert werden, denn drei gestandene Herren standen mit verschränkten Armen am Rand und beobachteten, wie die Kinder erst zu Ballübungen und dann zu einem Match angeleitet wurden. Und unser Pferd stand dabei die ganze Zeit an der Ecke seiner Weide und guckte ebenfalls zu. Uns war allerdings nicht ganz klar, was es sich dabei dachte, zwischen "Komisch, 16 Kinder balgen sich um einen Ball, dabei liegen da drüben doch genügend davon, dass jeder einen bekommen könnte" bis zu "Also bei uns in Longcochon hätten den ja schon die zehnjährigen ganz sicher verwandelt, das müssen wir wohl noch üben" schien alles möglich.

Den Wassereinbruch wenigstens in geordnete Bahnen lenken Das Training wurde abrupt beendet durch einen plötzlichen Regenguss, alles verschwand fluchtartig im Umkleidehaus und dann nach Hause. Und auch in Frankreich werden die Kinder offenbar nur wenig zur Selbständigkeit erzogen, es war nicht einer dabei, der nicht mit dem Auto abgeholt wurde. Inzwischen kämpften wir in unserem Wagen mit einem nicht unerheblichen Wassereinbruch. Der Boden war hier nämlich leicht schräg, weshalb das Wasser vom Dach auf die Fensterbank eines Seitenfensters tropfte, und diese Fenster waren alles andere als gut abgedichtet. Die Lösung bestand schließlich darin, ein Geschirrtuch über die ganze Breite unter das Fenster zu klemmen und damit das Wasser in eine Schüssel auf dem Sideboard zu leiten.

Tagesstrecke 11,5 km

Fr, 19.08.2016

Morgenstimmung am Sportplatz Gegen sieben Uhr früh wieder das übliche Spiel, unser Pferd wollte gefüttert werden. Dann beim Frühstück ist auch Ulrike schon dazu übergegangen, "hrrhrrhrr!" zu sagen und mit dem Fuß aufzustampfen, um mir zu sagen, ich möge ihr doch bitte noch etwas Tee nachschenken.

Nach dem Aufbruch wandten wir uns nicht der Stadt zu, denn die lag so hoch oben auf einem Berg, dass wir gut einsehen konnten, dass die Route daran vorbeigelegt wurde. Stattdessen sollten wir der D119 in Richtung Nordwesten folgen. Diese machte einen langen Anstieg, auf dem unser Pferd mehrmals eine Pause einlegen musste, aber hier war die Straße zweispurig mit genügend Platz für die doch öfters mal kommenden Autos zum Vorbeifahren. Der vorgesehene Mittags-Picknickplatz lag irgendwo rechter Hand in einem Gebiet von kleinen unbefestigten Wegen, aber da wir etwas Sorge hatten, darin möglicherweise wieder in die Irre zu fahren, wählten wir statt dessen einen geeigneten Platz am Rande unserer Route. Hier wurden dann unter anderem die gestern gekauften Postkarten geschrieben. Bei der Weiterfahrt merkten wir allerdings am Verhalten unseres Zugtieres, wo die Stelle gewesen ist, an der wir hätten abbiegen müssen. Mit etwas mehr Erfahrung und etwas mehr Vertrauen in unsere einheimische Begleiterin wäre das also sicher problemlos lösbar gewesen.

Unser Beschreibungstext warnte uns jetzt nach dem nächsten Rechtsabbiegen auf eine ganz kleine Straße eindringlich vor einer langen, steilen und engen Gefällstrecke vor Mièges, wo wir wirklich gut mit der Bremse würden arbeiten müssen. Das erwies sich zwar eigentlich als machbar, zu einem kleinen Problem kam es jedoch, als uns auf diesem Abschnitt eine Gruppe Reiter entgegenkam. Aber wir brachten Fuhrwerk samt "Motor" zum Stillstand, der vorderste der Reiter stieg ab und führte sein Tier, das sich spürbar sträubte, an uns vorbei, der Rest der Truppe folgte, und alles war wieder gut.

In Mièges bogen wir links ab auf die D116, der wir bis zum Ortseingang von Censeau folgten, wo unser Weg rechts ab auf die D336 führte. Dieser Weg erschien uns abschnittsweise noch um einiges steiler als das Stück vorhin, aber auch das ließ sich meistern. Für einen kleinen Adrenalinausstoß sorgte dann noch ein Lieferwagen, der ziemlich abrupt hinter Hügel und Kurve auftauchte und vor dem sich unser Pferd, obwohl ja als unerschrocken angepriesen, doch etwas zu fürchten schien. Denn obwohl der Fahrer drüben den Wagen ganz auf den Grünstreifen lenkte, wollte Unithède nicht weitergehen. Aber der Mann war solche Problemchen offenbar gewohnt, denn noch bevor wir uns so richtig darauf eingestellt hatten, jetzt wohl etwas unternehmen zu müssen, kam er aus seinem Führerhaus, nahm unser Pferd beim Halfter und führte uns an dem Wagen vorbei.

Letzte Etappe bei einem kleinen <I>Château</I> Der asphaltierte Teil dieser Straße endete in Les Grangettes, und in diesem Ort sollten wir bei einem kleinen "Château" (ich würde es Zwischending von Burg und Schloss nennen) unser heutiges Lager aufschlagen. Ein offenbar nur kleiner Teil des Gebäudes war von einer Auswanderin vom Bodensee und ihren beinahe erwachsenen Söhnen bewohnt, der Rest stand anscheinend leer. Um zu Toilette und Waschgelegenheit zu kommen, mussten wir eine alte, knarzende Holztreppe in einem engen Treppenhaus hochsteigen, deren Wände zudem noch mit Brennstoffpaketen (je 5 kg Kaminholz aus dem Baumarkt im Plastiknetz) vollgestellt waren.

Pferdeweide direkt <i>à coté</I> Auf der kleinen Pferdeweide standen die Brennnesseln brusthoch, und dazwischen war eine alte Kastendiane von Citroën geparkt, wie ich auch einmal eine hatte. Die CT-Plakette war gültig bis 2000, so lange stand das Auto hier also wahrscheinlich bereits herum. Irgendjemand hatte wohl schon einmal einen Zündunterbrecher gebraucht und den hier ausgebaut, und viele Blechteile waren stark verbeult, somit würde eine Restauration wohl eine Menge Arbeit bedeuten. Später bei einem Spaziergang durch den Ort sahen wir noch einige weitere alte Autos und auch ein Motorrad aus den Siebzigern in einem offenen Unterstand stehen, in dieser Gegend ließ sich wahrscheinlich immer noch der vielzitierte "Scheunenfund" eines richtig alten Schätzchens realisieren.

Auf meine Frage nach einem Briefkasten wurde ich auf den Ort Censeau verwiesen. Dort sollte es auch eine Boulangerie geben, welche um 1630 Uhr wieder öffnen sollte. Also beschloss ich, mit dem Klapprad dort hinzufahren. Holla, jetzt konnte ich doch mal richtig am eigenen Leib erfahren, was für eine Leistung unsere Unithède da Tag für Tag so vollbringen musste! Obwohl ich gar keinen Wagen ziehen musste und immerhin eine wenn auch archaische 2-Gang-Rücktrittschaltung zur Verfügung hatte, musste ich doch an der ersten großen Steigung kapitulieren und schieben. Auf der anderen Seite musste dann auch irgendwann gebremst werden, weil dieses alte Siebziger-Jahre-Fahrzeug sich bei hohem Tempo als wenig stabil erwies. Prompt reichte der Anlauf dann nicht mehr für die nächste Anhöhe, und es ging wieder von vorne los. Aber ich erreichte den Ort immer noch vor der Zeit. So suchte ich erst einmal das Postamt (geschlossen) mit dem Briefkasten davor auf und hatte dann noch jede Menge Muße, einen Blick in die Kirche an der zentralen Kreuzung zu werfen, die war immerhin offen.

An dieser Kreuzung war auch ein Hotel mit Restaurant und Bar, wo ein paar Stühle davor standen. Auch hier war nirgendwo etwas los, aber die Tür zur Bar ließ sich öffnen. Als Madame von hinten kam, wollte ich höflich sein und fragte, ob geöffnet sei, und bekam zur Antwort: "Hören Sie, ich glaube kaum, dass die Tür hier abgeschlossen war!" Aha, hier geht es rustikal zu. Ich bestellte also knapp eine Cola mit Daumenzeigen nach draußen. Während ich damit noch dasaß, kam auch (mehr als 5 Minuten nach halb) der Wagen des Boulangers um die Ecke. So ging ich, nachdem ich meinen Durst gelöscht hatte, hinüber und erstand ein frisches Brot. Ich hätte hier zwar auch noch ein paar Flaschen Bier kaufen können, aber das wäre nicht gekühlt gewesen, und mit unserer Kühlbox hätten wir das wohl kaum merklich herunterkühlen können. So gab es also zum Abendessen Rotwein, was ja zu unserem Gastland sowieso viel besser passte. Zuvor wollte jedoch unsere Unithède ganz dringend gefüttert werden. Diesen Vorgang habe ich heute in einem kurzen Video (AVI-Format) festgehalten (hatte aber so spontan gerade kein Stativ zur Hand, ich bitte um Nachsicht).

Die Schlosskatze interessierte sich überhaupt nicht für unser Essen Beim Abwaschen sprang mir beim Zudrücken des Deckels der Spülmittelflasche ein Tropfen Spüli unter der Brille hindurch mittenmang ins linke Auge. Arrgh, tat das weh! Das Ausspülen unter dem Wasserhahn dauerte ganz schön lange, nachdem ich zuvor erst einmal fast blind zwei Stockwerke hoch musste, und ich hatte dann noch den ganzen Abend mit den Nachwirkungen zu kämpfen. Im Wagen war Ulrike inzwischen mit der Fliegenjagd beschäftigt. Wir gerieten in einen leichten Disput, weil ich behauptete, sie würde, wann immer sie eine tote Fliege zur Tür hinausbeförderte, neue lebende hereinlassen, was sie vehement bestritt. Ich hätte die Kadaver ja erst einmal im Spülbecken gesammelt, aber sie fand das zu ekelig. Am Ende kam sie auf eine Jagdstrecke von sagenhaften 156 Opfern, und ich meine immer noch, dass die sich nicht von Anfang an alle gleichzeitig in den maximal 8 Kubikmetern Innenraum unseres Wagens befunden haben.

Tagesstrecke 9,2 km

Sa, 20.08.2016

Um 545 Uhr wachte ich auf, weil erste Regentropfen fielen, auf dem Dach unseres Wagens konnte man das fast so gut hören wie in einem Zelt. Und weil ich gestern das Pferdegeschirr draußen stehen gelassen hatte, spurtete ich auch gleich los, um es ins Trockene zu bringen. Es gab eigentlich keinen dafür vorgesehenen geschützten Platz, ich stellte es also in den Hauseingang und hoffte, es würde hier nicht allzu sehr im Weg stehen. Unser Kraftfuttervernichter forderte bei der Gelegenheit gleich seinen Eimer, aber dafür war es mir jetzt noch zu früh und zu nass.

Beim offiziellen Aufstehen etwa eine Stunde später war es jedoch auch nicht trockener. So wurde denn heute mal drinnen gefrühstückt und nach dem Abwaschen und Aufklaren sogleich die Regensachen angezogen zum Anschirren. Dann führte Ulrike sicherheitshalber das Gespann durch das enge Tor des Hofes auf die Straße, und dabei trat Unithède ihr versehentlich auf den Fuß. Mehrfach hatte Ulrike mich ermahnt, beim Umgang mit einem Pferd niemals die Teva-Sandalen, sondern immer feste Schuhe zu tragen, weil genau das hin und wieder passieren könne. Nun traf es sie selbst, aber natürlich hatte sie ihren eigenen Rat auch selbst befolgt, so dass es glimpflich ausging und sie nach dem Einbiegen auf die Dorfstraße wieder zu mir auf den Wagen hüpfen konnte.

Bei leichtem Regen ging es wieder zurück nach Censeau. Schon nach der ersten Steigung, die ja nicht unbeträchtlich war, fing Unithèdes Pferdekörper an, deutlich sichtbar zu dampfen. Aber eine Pause legte sie unterwegs nicht ein, sondern nahm tapfer beide Anhöhen. Möglicherweise ahnte bzw. wusste sie aber auch, dass sie heute wieder nach Hause kommen würde. Im weiteren Verlauf der Route ist dann noch ein kleines Video entstanden.

Auf der Strecke zurück nach Mièges kam uns eine andere Roulotte unseres Anbieters entgegen. Drüben hatte man offenbar auch gewisse Befürchtungen, vielleicht sogar einschlägige Erfahrungen bezüglich des Verhaltens unserer Zugtiere, denn es stieg jemand ab und führte das Pferd, und wir taten dies vorsichtshalber auch. Aber die beiden Pferde machten keinerlei Anstalten, beim Treffen unter Kumpeln die Köpfe zusammenzustecken, sehr wahrscheinlich hatten sie diesbezüglich auch ein intensives Training bekommen.

Geländegängiges Pferd Am Anfang von Mièges bogen wir links ab auf die Route de Molpré. In deren Verlauf lag auch die für heute vorgesehene Pausenstelle am Rande einer Böschung, wo wir abspannten und unser Zugtier an einen Baum banden. Hier konnten wir sehen, dass Pferde erstens auch Blätter von Bäumen fressen und zweitens ziemlich geländegängig sind, denn Unithède kletterte auf der Suche nach leckerem Grün die Böschung hoch, soweit ihre Kette das zuließ (in die andere Richtung musste die Kette nämlich kurz genug sein, dass sie nicht auf die Straße konnte).

Während ich eine kurze Regenpause dazu nutzte, herumzulaufen und ein paar Fotos zu machen, hielt eine Autofahrerin (mit fürchterlichen rosa Lidschatten, wofür sie nach meiner Schätzung mindestens 30 Jahre zu alt war, nämlich über 42) an und fragte, ob wir das gewesen waren, deren Pferd ihr vor ein paar Stunden auf der Strecke zwischen Censeau und Mièges beinahe vor das Auto gelaufen war. Das konnte ich guten Gewissens verneinen, möglicherweise war das der Wagen gewesen, der uns dort entgegengekommen war, und das könnte dann auch die Vorsicht des Kutschers erklären, bei der Begegnung mit uns doch lieber abzusteigen und zu führen.

Im Regen auf dem Heimweg Bei der Weiterfahrt bedienten wir uns der gleichen Vorsicht, als es galt, links abzubiegen nach Molpré. Hier stand nämlich ein Stoppschild, und die Kreuzung war nicht besonders gut einsehbar. An solchen Stellen ist es immer sinnvoll, wenn ein Mensch sich auf Höhe des Pferdekopfes befindet, der Kutschbock ist dann nämlich viel zu weit hinten. Ab Essavilly ging es dann die bekannte Route zurück nach Longcochon, wo wir gegen 1530 Uhr in strömendem Regen eintrafen. Nach dem Ausspannen und Abhalftern war uns schon klar, dass wir heute nicht bis ca. 1800 Uhr warten würden mit der Fütterung unseres Zugtieres, das ja auch hervorragende Arbeit geleistet hatte. Eigentlich hatten wir uns die Uhrzeit auch nur so angewöhnt, weil uns der Wirt unserer ersten Etappe das so gesagt hatte und wir von Martial keine detaillierteren oder gar gegenteiligen Anweisungen bekommen hatten. Und Unithède machte auch durch energisches Stampfen mit den Vorderhufen auf dem Beton klar, dass sie nicht gewillt war, auch heute so lange zu warten. Trotzdem war ich der irrigen Meinung, die Fütterung mit einem Eimer Trinkwasser eröffnen zu können. Aber damit war ich wahrlich an die falsche Dame geraten. Energisch kickte sie den Eimer beiseite, als wollte sie sagen: "Gah mi af met den Schiet, ick wull wat to freten!"

Nach der so gebotenen Umkehr der Reihenfolge brachten wir das Tier auf die Weide und entließen es dort, nicht ohne ein gewisses Bedauern. Thomas sagte, die Pferde hätten nach so einer Tour erst einmal 2 Wochen Urlaub, bevor sie wieder vor die Roulotte müssten. Und auch wir genossen den Rest unseres Urlaubes mit einer warmen Dusche, trockenen Klamotten und schließlich einem leckeren Abendessen.

Tagesstrecke 13,6 km
Gesamtstrecke 75,4 km

So, 21.08.2016

Nach einer ruhigen Nacht, in der ich mich endlich mal wieder ganz ausstrecken konnte (die Roulotte war dafür ein paar Zentimeter zu schmal), folgte noch einmal ein gutes Frühstück (gab es ab 800 Uhr), ohne dass diesmal zuvor von uns ein Eimer Futter angefordert wurde. Beim Ausklarieren fragte ich nach einem gebrauchten Hufeisen als Souvenir, was wir auch bekamen. Für die Rückfahrt leisteten wir uns den Luxus, bis zum Rhein französische Landstraßen zu genießen und erst in Deutschland die Autobahn zu nehmen. Das Stauaufkommen dort hielt sich in erträglichem Rahmen, lediglich vor ein paar Baustellen kam es zu kürzeren Stockungen. So waren wir dann gegen 2100 Uhr auch wieder zuhause.

Vokabeln

Das spezielle Vokabular zu dem Thema musste ich zum großen Teil auch erst lernen. Die wichtigsten Ausdrücke sind:

le boucleder Ring (in der Mauer zum Anbinden des Pferds, kann aber auch für einen kreisförmigen Abstecher auf der Route benutzt werden)
les brancardsdie Deichseln (beim Pferdewagen ist es ein Paar, zwischen denen das Tier steht)
le bridondie Trense
la caleder Keil
le cheval de traitdas Zugpferd/Kutschpferd
le collierdas Kummet (der Kragen)
le freindie Bremse
le graindas Korn, hier auch für Kraftfutter verwendet
les guidesdie Zügel
le licouder Halfter
le mousquetonder Karabinerhaken
le prédie Weide
la roulotteder Zigeuner-/Wohnwagen
la sangleder Gurt (Verzurrgurt)
le seauder Eimer
la rouedas Rad
harnacheraufzäumen
déharnacherabzäumen
atteleranschirren, anspannen
dételerabschirren, ausspannen

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