Frankreich 2017

In diesem Jahr wollen wir nun den zweiten Anlauf unternehmen, die Pyrenäen zu besuchen, nachdem das letztes Jahr ja nicht ganz geklappt hatte.

Der grobe Plan sah vor, auf relativ direktem Wege über die Eifel, Luxemburg und das französische Zentralmassiv dort hinzufahren, dann einmal hin und her an beide Küsten, und schließlich wieder zurück auf leicht anderer Route, nämlich via französisches Jura und Karlsruhe. Unsere Motorräder waren ja mittlerweile schon etwas erprobt, und auch fremdsprachlich sollte nichts Neues auf uns zukommen, Ulrike hat die letzten Wochen immer noch einmal spanische Vokabeln wiederholt, somit fühlten wir uns bestens vorbereitet.

Dass es auch dieses Mal wieder nicht geklappt hat, die Pyrenäen zu erreichen, wird gleich während der ersten Tage schon deutlich. Der übrige Plan konnte jedoch eingehalten werden, und auch ohne das französisch-spanische Grenzgebirge gesehen zu haben, war es eine schöne Tour.

Sa, 09.09.2017

Für die erste Etappe bis zum nördlichen Rand der Eifel, wo wir heute Abend bei Bekannten aus einem Motorradforum unterkommen wollten, hatte unser Navi über Land eine reine Fahrtzeit von über acht Stunden vorhergesagt. Das erschien uns dann doch reichlich viel, schließlich wollten wir ja nicht nur mal zum Tanken anhalten, sondern brauchten auch hin und wieder mal eine kleine Ruhepause. So sollte dann das erste Stück Autobahn gefahren werden, bis in die Nähe der Stelle, wo von einigen Leuten die Existenz einer Stadt namens Bielefeld behauptet wird. Aber den ersten mulmigen Moment gab es schon, als mitten auf den Hamburger Elbbrücken ein Sportwagen vor uns plötzlich zu schleudern anfing und wir voll den Anker warfen, um dabei nicht noch involviert zu werden. ABS ist eine tolle Sache, insbesondere bei regennasser Straße. Immerhin fing sich der Wagen noch wieder, so dass alle Beteiligten und Unbeteiligten noch einmal mit dem Schrecken davonkamen. Richtig angenehm wurde die Fahrt allerdings auch weiterhin nicht, denn das Wetter pendelte zwischen leichtem Landregen und heftigem Schauer mehrmals hin und her. Dazu gesellten sich dann längere Staus vor Autobahnbaustellen bei Soltau und dem Rasthof Allertal.

Gegen Ende des zweiten Staus bemerkte ich dann, dass der Motor meiner Maschine manchmal nicht mehr rund lief. Angesichts der Tatsache, dass ich vor drei Wochen schon einmal mit einem ähnlichen Defekt (lief plötzlich nur noch auf einem Zylinder) im Weserbergland liegengeblieben war und das Moped erst letztes Wochenende mit dem Zug aus Einbeck wieder abholen konnte, beschlossen wir, umzukehren und zu versuchen, soweit es ging noch wieder nach Hause zu kommen. Auf der Rückfahrt, diesmal über Landstraßen, konnte ich mir ein relativ genaues Bild von dem Fehlerverhalten machen: Zwischen etwa 1500 und knapp 3000 Umdrehungen hatte der Motor Aussetzer und spotzte immer mal wieder. Fuhr ich schneller, also mehr als 90 km/h, ging es besser, und auch im Standgas ging die Kiste mir nicht aus. Aber das Beschleunigen auf diese 90 machte eben überhaupt keinen Spaß, und natürlich war keine Rede davon, in diesem Zustand dreieinhalb Wochen lang durch halb Europa fahren zu wollen. Und es war ja auch alles andere als sicher, dass dieser Zustand die ganze Zeit über so anhalten würde.

Immerhin tat er das, bis wir wieder zuhause angekommen waren, und bei unserer Ankunft hörte sogar das schlechte Wetter auf, und es wurde trocken.

Tagesstrecke 272 km, km 71817 (los bei km 71545)

So, 10.09.2017

Ruhetag, erzwungener, unter anderem verbracht mit einer schönen Kajaktour auf den Kanälen der Stadt Hamburg bei inzwischen wieder ziemlich blauem Himmel.

Mo, 11.09.2017

Gleich nach dem Frühstück wurde das Motorrad zur Werkstatt gebracht. Das Problem mit den Aussetzern bestand immer noch, es war somit wohl keine Feuchtigkeit, die irgendwo hineingekrochen ist. Solche Nässeprobleme hatte ich mit dieser Maschine allerdings auch vorher noch nie gehabt. Die Fahrt ging einmal quer durch die Stadt, und es war ziemlich unschön und laut, maximal im zweiten und dritten Gang zu fahren, aber das Geruckel in den höheren Gängen wäre noch nerviger gewesen.

Am Nachmittag gab es eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter mit der Bitte um Rückruf. Der Werkstattmensch war nun jedoch nicht da, der im Gegenzug von seinen Kollegen versprochene Rückruf blieb aus. Kurz vor Feierabend versuchte ich es noch einmal, aber der Chef erwischte seinen Meister nicht mehr, der hatte es offenbar eilig, nach Hause zu kommen heute. Also hieß es, zu warten auf morgen

Di, 12.09.2017

Heute früh nun erfolgte das Gespräch mit dem Werkstattmeister. Es schien, als habe die Werkstatt in Einbeck nicht sorgfältig gearbeitet: Sie hatten zwar zwei der vier Zündspulen (die bei der Ténéré in den Zündkerzensteckern verbaut sind) ausgewechselt, jedoch eine dritte, die schon von außen ziemlich verrostet aussah (ich habe sie nachher gesehen), nicht.

Noch vor Mittag war die Maschine fertig. Ich habe dann eine ausgiebige Probetour über die Dörfer gemacht, sie schnurrte wieder wie ein Kätzchen. So wollen wir nun also versuchen, den ursprünglichen Plan wieder aufzunehmen, bis in die Pyrenäen werden wir allerdings nun nicht mehr fahren, das lohnt sich jetzt wahrscheinlich nicht mehr. Aber der Rest von Frankreich ist ja auch immer noch schön.

Mi, 13.09.2017, zweiter Anlauf

Einen Augenblick lang hatten wir überlegt, den Aufbruch abermals um einen Tag zu verschieben, denn für heute war Unwetter mit Starkwind von bis zu 130 km/h angesagt. Aber der Blick in diverse Wettervorhersageportale erweckte den Eindruck, dass sich das in der Hauptsache nahe der Nordseeküste abspielen würde, und so beschlossen wir, rechtzeitig die Flucht zu ergreifen. Drum wurden wieder die Regenklamotten angezogen, das Wetter ähnelte stark dem von Sonnabend, aber wir konnten immerhin beinahe trocken aufrödeln. Diesmal gab es auch keinen risikofreudigen Sportwagenfahrer auf der Elbbrücke, und der Stau bei Soltau wurde rechtzeitig auf der Umleitungsstrecke umgangen. Dafür gab es an anderer Stelle einen Stau, dort hatte sich offenbar ein Unfall ereignet. Von hinten kam ein Krankenwagen durch die Gasse, gefolgt von einem Abschleppwagen, ein Stück dahinter fuhr ein BMW-Motorrad, dessen Fahrer sich da wohl angehängt hatte. Als eine Weile später ein zweiter Abschleppwagen mangels Martinshorn mit einer komisch quäkenden Hupe durcharbeitete, meinte der Fahrer eines Porsche Cayenne, sich ebenfalls anhängen zu dürfen. Das fand ich nun schon ziemlich dreist, denn ein Motorrad findet bei Bedarf immer noch irgendwo Platz an der Seite, dem hingegen musste dann Platz gemacht werden. Offenbar sahen das auch viele andere so, denn sofort wurde die Gasse jetzt wieder zugemacht.

Nachdem hinter Hannover schon einmal einiges an blauem Himmel zu sehen war, kam bei Garbsen noch einmal ein Wetter herunter, das sich gewaschen hatte, und uns nun auch. Gerade richtig, um dort am Rasthof einzukehren und etwas zu essen, wobei wir hofften, dass sich diesbezüglich das Niveau im Land der haute cuisine noch beträchtlich steigern würde. Immerhin war es wieder trocken, als wir weiterfuhren. Dafür wurde es jetzt immer stürmischer, und das steigerte sich noch, nachdem wir wie geplant die Autobahn verlassen hatten und langsam auf das Sauerland zusteuerten. Einmal mussten wir unterwegs Pause machten, weil vor uns die Feuerwehr mit einem Kran Baumholz von der Straße schaffte. Und auf einem Abschnitt auf großer Bundesstraße mit weiten Feldern rechts und links drohten die Windböen, uns von unserer Fahrbahn zu fegen, da mussten wir höllisch aufpassen. Das hier musste die Gegend gewesen sein, in der uns eines der Wetterportale auf der Karte auch einen kleinen roten Fleck mit Sturmwarnung angezeigt hatte heute morgen.

Quartier im Sauerland Beim Tanken in Warstein wurde deshalb entschieden, heute nicht mehr viel weiterzufahren. Wir waren sowieso schon mit unserem Zeitplan ins Hintertreffen geraten, da könnten wir lieber versuchen, morgen den Rest der Strecke in die Eifel mit ein paar Schlenkern über kleine Straßen so zu strecken, dass wieder ein ganzer Tag daraus würde. Zwar waren wir jetzt im Sauerland und bekamen sofort noch ein paar Abschnitte, die zu fahren richtig Spaß machten, aber wir suchten uns sehr bald ein Zimmer im Landhotel Sauerländer Hof in der Nähe von Meschede. Nach dem Abendspaziergang durch den Ort erfüllte sich meine Hoffnung auf Hebung des kulinarischen Niveaus, es gab (zwar immer noch amerikanisch) Spare Ribs, die deutlich besser waren als die Currywurst vom Mittag, und zum Abschluss einen 12-jährigen Highland Park Whisky.

Tagesstrecke 380 km, km 72328 (los bei km 71948)

Do, 14.09.2017

Blauer Himmel war heute nicht zu erwarten, und demzufolge bekamen wir auch keinen präsentiert. Statt dessen waren die Wolken dunkel genug, dass wir wieder noch vor der Abfahrt die Regensachen anzogen, aber auch heute konnten wir immerhin trocken aufpacken und losfahren, indes währte das Vergnügen nicht lange. Und die Straßen waren sowieso quatschnass. Vielleicht bilde ich es mir nur ja ein, aber ich hatte den Eindruck, dass die Landschaft heute richtig üppig grün aussah. Durch schöne Gegenden sind wir heute allemal gefahren, ich hatte gestern die Route entsprechend verlängert und dabei darauf geachtet, möglichst keine Abschnitte auf Bundesstraßen dabei mitzunehmen.

Am Biggesee An einem "Aussichtsturm Rhein-Weser" bin ich vorbeigefahren, weil es gerade regnete, aber beim Aussichtsturm "Hohe Bracht" war es gerade trocken, so bin ich dorthin abgebogen. Der Turm war allerdings geschlossen wegen Umbauarbeiten. Unten hatte das auch drangestanden, aber das Schild hatte ich übersehen. Aber an einer Stelle konnten wir auch ohne Turm weit in die Landschaft gucken.

Auch auf der Weiterfahrt fühlte ich mich manchmal an Norwegen erinnert, auch auf jener Reise sind wir nachher viel bei Regen über kurvige Straßen gefahren. Für die Mittagspause hatte ich den "Bigge-Grill" am Biggesee vorgesehen. Hier war es gerade mal wieder trocken, und laut einem Bericht in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift "Der Tourenfahrer" soll dies die einzige Stelle an einem Stausee im Sauerland sein, an dem man mit dem Motorrad nicht für das Parken bezahlen muss. Von Moppedfahrertreffpunkt konnte an einem Werktag und bei dem Wetter hingegen überhaupt keine Rede sein, wir waren ganz alleine hier. So richtig Hunger hatten wir auch noch nicht, so fuhren wir bald wieder weiter.

Fährticket Rheinfähre Irgendwo unterwegs kamen wir über die Sieg. Der Fluss sah hier durchaus so aus, als könne man darauf eine nette mehrtägige Gepäckfahrt mit Kajaks unternehmen. Auf der Lahn weiter südlich hatte ich so etwas schon mal getan, hier noch nicht. Den Rhein, natürlich auch schon mehrfach befahren, überquerten wir in Linz per Fähre, das kostete uns 2 x 2,40 €. Auf der anderen Seite war eigentlich eine Kuchenpause geplant (mittlerweile hatte sich doch ein kleines Hüngerchen eingestellt), aber hier fing jetzt mein Navi an, zu zicken. Oftmals hilft es in solchen Fällen, einfach ein Stück weiterzufahren, aber hier offenbar nicht. Und als ich nun auf einen Kreisverkehr zuhielt, von dem auf dem Display in alle vier Himmelsrichtungen blaue Linien = zu fahrende Strecken ausgingen, musste ich doch anhalten und der Sache auf den Grund gehen. Ursache war ein Wegpunkt, den ich mitten auf die Fährlinie gesetzt hatte, um das Gerät daran zu hindern, eine Brücke in Bonn oder Koblenz in die Route einzubauen. Während der Fährfahrt war nun bei ausgeschalteter Zündung das Navi jedoch auch in den Ruhemodus gesetzt worden und hatte den Punkt nicht als besucht markiert. Somit hätten wir zurückgemusst, was bedeutet: Am Kreisverkehr links, dann zweimal rechts, also am Kreisel von geradeaus zurückgekommen, eigentlich jedoch dann am Ende rechts weiter, machte in Summe alle vier Richtungen.

Nun hatten wir die Cafés am Rheinufer aber hinter uns gelassen, und wie das immer so ist, kam ganz lange keine Gelegenheit mehr. Schließlich fanden wir gar nicht mehr weit von unserem Ziel das Bikercafé "Zu den 4 Winden", das seinem Namen heute alle Ehre machte. Inzwischen hatte es nämlich wieder ganz gut aufgefrischt, wenn es auch heute bei Größenordnungen bleib, die wir gewohnt waren. Aber hier oben pfiff das ordentlich über die Höhen, und feucht wollte es auch wieder werden, perfektes Timing also. Da setzten wir uns also nach drinnen, genossen Kaffee bzw. Kakao und Crêpes mit Nutella und klönschnackten etwas mit dem Wirt, bis das draußen wieder trockener wurde.

Die letzten Kilometer waren auch schnell geschafft, und da unsere Bekannten schlecht erreichbar waren und wir uns nach unserer andauernd geänderten Planung nicht mit ihnen absprechen konnten, nahmen wir uns in der Alten Posthalterei in Euskirchen ein Zimmer. Aber am Abend fuhren wir noch auf gut Glück zu ihrem Reitstall (sie hatten irgendwann ihre BMW-Motorräder gegen Pferde = "Bio-Moppeds" getauscht) und trafen sie dort auch an. Lustig zu sehen, dass auch das Reitpferd keine Lust hatte, den überdachten Bereich zu verlassen, und sei es auch nur, um hinüber in die große Halle zu gehen. Natürlich wurde es da etwas später, bis wir wieder zurückkamen. Aber trotz der späteren Stunde bekamen wir noch eine Kleinigkeit zu Essen, in meinem Fall "Kölscher Kaviar", Blutwurst mit Zwiebeln auf Roggenbrötchen.

Tagesstrecke 277 km, km 72595

Fr, 15.09.2017

Heute früh war der Himmel nur locker bewölkt mit blauen Abschnitten dazwischen, und vor allen Dingen schienen die Wolken auf der Stelle zu stehen und sich nicht wie gestern noch zügig zu bewegen. Beim Frühstück hing neben unserem Platz eine Tafel an der Wand mit dem "Kölner Grundgesetz": Das ging los mit (auf Kölsch) "1) Es ist, wie es ist" und "2) Es ist noch immer gutgegangen", verwickelte sich dann aber in Widersprüche mit "8) Haben wir immer so gemacht" und "11) Nichts bleibt, wie es ist". So begann der Tag also schon mit Philosophie, noch bevor wir auch nur einen Meter gefahren waren.

Vianden Wir hatten mal erwogen, hier vielleicht zwei Nächte zu bleiben und eine Tagestour auf kleinen Eifelsträßchen einzuschieben, aber da die Wettervorhersage für heute ähnlich biestig war wie für gestern, zog Ulrike eine schon letztes Jahr vorbereitete Tour durch Luxemburg aufs Navi. Dort mussten wir aber erst einmal hinkommen. Das bedeutete zunächst nach etwa einer halben Stunde, wieder die Regensachen anzuziehen, und dann, etlichen Umleitungen wegen Bauarbeiten zu folgen. Aber irgendwann fuhren wir über eine Brücke und waren plötzlich in Luxemburg. Drüben folgten wir dem Fluss in einem schönen Tal und kamen so nach Vianden, einem malerischen Städtchen, wo wir auf der Terrasse eines Cafés am Ufer einen Kaffee bzw. Kakao und lecker Apfelstrudel genossen.

Wasserfall am Schiessentümpel Auch in ihrem weiteren Verlauf blieb unsere Route schön. Ulrike hatte sie durch die sogenannte "Luxemburger Schweiz" gelegt und einen Stopp beim "Schiessentümpel" eingebaut. Da musste man von einem Parkplatz aus etwa 500 Meter weit gehen und kam zu einer Stelle, wo der das Tal bildende Bach einen kleinen Wasserfall hinunter in einen Tümpel plätscherte, sehr malerisch unter einer alten, freitragenden, also im Bogen ohne Mörtel gebauten Brücke hindurch. Unter einem überhängenden Felsen konnten wir bei der Gelegenheit einen weiteren Regenschauer abwettern und die Szene gebührend bewundern.

Eine weitere Pause legten wir später am Ufer der Mosel ein, hier war die Gegend nun schon deutlich flacher geworden. Dann aber galt es, die Grenze nach Frankreich zu überqueren. Unmittelbar vorher sollte noch einmal getankt werden, denn hier war das Benzin deutlich günstiger als in allen umliegenden Ländern. Das war auch deutlich zu merken, die Tankstelle war regelrecht belagert von Autos mit französischen Kennzeichen. Auffällig war auch, dass im Verkaufsraum ungewöhnlich viele Spirituosen in teilweise großen Flaschen und großer Vielfalt dargeboten wurde. Da gab es Whisky und Whiskey, Cognac und Weinbrand und vieles mehr, hier wurde offenbar mit großem Erfolg Sprit und Sprit verkauft.

In Frankreich wurde es nun trocken, und der Himmel klarte auf. Da machte es gar nichts, dass die Landschaft nicht besonders war und wir sogar mit dem Anblick der Atommeiler von Cattenom konfrontiert wurden. Es machte einfach Spaß, hier trocken in die langsam untergehende Sonne zu fahren, und es dauerte noch eine Weile, bis wir uns im Lac de Madine Hotel ein Zimmer nahmen. Während wir im Restaurant ein leckeres Cordon Bleu aßen, ging allerdings draußen doch noch ein kleiner Schauer nieder.

Tagesstrecke 310 km, km 72905

Sa, 16.09.2017

Blauer Himmel, genau so hatten wir das bestellt! Allerdings zogen bis zur Abfahrt schon mal ein paar kleine Schäfchenwolken auf, und im Laufe des Tages kam noch allerhand mehr dazu. Was das Frühstück anging, so hatten wir beschlossen, heute darauf zu verzichten, mit 12 € extra pro Nase erschien uns das doch recht teuer. Und da es im Zimmer einen Wasserkocher mit Teebeuteln bzw. Tüten Kaffee gab - sie hatten hier offenbar viele Gäste aus England - haben wir stattdessen eine Packung unserer bislang sonst noch gar nicht gebrauchten Pausenkekse geöffnet.

Zuerst wollte Ulrike gerne einen Blick auf den See werfen, nach dem unsere Unterkunft benannt war. Der war etwa 3 Kilometer entfernt und insofern eine kleine Enttäuschung, als man ihn nur an zwei Stellen erreichen konnte und man dort jeweils eine riesige Ferienanlage errichtet hatte mit Campingplatz, Yachthafen und allem, was so dazugehört.

Weite Teile der Fahrt waren zwar nicht direkt langweilig, aber doch relativ ereignislos. Die Landschaft war zwar nett, aber nicht spektakulär, und mehrfach hatte ich Gelegenheit, darüber zu sinnieren, dass man in Frankreich ein Netz von Autobahnen baut, für die man bezahlen muss, um dann noch ein Netz von Autobahnen zu bauen, für die man nicht bezahlen muss, auf der N4 und N67 befuhren wir solche Abschnitte und legten auf letzterer auf einem sehr autobahnähnlichem Parkplatz eine Rast ein.

Regensachen! Am frühen Nachmittag war das Luxemburgische Benzin verfahren, und bei der Gelegenheit zogen wir ob drohend schwarzer Wolken voraus auch gleich vorsorglich die Regensachen an. Ein Stück später kamen wir durch einen Ort mit Namen Ampilly-Le-Sec. Das bedeutet "Ampilly, der trockene", und natürlich fragte ich mich, wie denn das gemeint sein sollte. Im Ort Coulmier-Le-Sec war immerhin klar, dass das nicht auf die hiesigen Verkehrsteilnehmer bezogen sein konnte, denn der Fahrer des Wagens vor mit geriet immer wieder auf die Gegenfahrbahn, und zwar bei schnurgerader Strecke. Zuerst hielt ich gehörigen Sicherheitsabstand, aber nach dem Ort habe ich ihn dann doch zügig überholt, mit vorherigem Hupen, was ich auch in Deutschland (wo es außerorts ja erlaubt ist, hier kann ich das gar nicht sagen) nur sehr selten mache.

Bei Montbard öffnete der Himmel dann wie optisch schon angekündigt seine Schleusen. Im Nu war die Fahrbahn geflutet, und dann kam auch noch Hagel hinterher. Hätte das nicht in den trockenen Orten da hinter uns niedergehen können? Oder hätten wir da bleiben sollen? Ulrike hatte offenbar größere Probleme mit der Sicht oder den Pfützen oder beidem und blieb sehr weit zurück, ich musste mehrere PKW passieren lassen, bis sie schließlich wieder zu mir aufschloss. Als wir dann in Saulieu am Hotel Bourgogne vorbeikamen, beschlossen wir, es für heute gut sein zu lassen und hier einzuchecken. Die Motorräder konnten in der überdachten und nachts verschlossenen Hofeinfahrt parken, und wir bekamen wieder prima zu Essen (eine Schinkenpfanne mit Kartoffelgratin und dazu lokales Bier).

Tagesstrecke 334 km, km 73237

So, 17.09.2017

Der Himmel war heute Morgen komplett bedeckt, die Wettervorhersage zeigte ein Symbol, das etwas Sonne mit zwei Regentropfen kombinierte. Also waren wir mal gespannt, wie sich das nach dem Frühstück so entwickeln würde. Aber zunächst wurde noch dem leidigen Earl-Grey-Thema ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Ich hatte ja schon in früheren Reiseberichten (zum Beispiel hier) erwähnt, dass ich das Zeug ähnlich ungerne trinke wie Kaffee, es auf Reisen aber andauernd serviert bekomme, sofern ich unterwegs ganz unspezifisch einfach "schwarzen Tee" bestelle. Hier nun gab es Selbstbedienung am Büffet, das Kästchen mit den Teebeuteln enthielt neben dem üblichen Kräuterzeugs ein leeres Fach, wohl für den Schwarztee, und drei oder vier Fächer mit Earl Grey. Aber es gab ja auch noch grünen Tee, den trinke ich ja auch gerne. Aber beim ersten Schluck musste ich feststellen, dass auch der hier ver-Earlt, also mit Bergamotte versetzt war.

Pause in Olliergues Auf diese Weise schon einmal seelisch auf unangenehme Dinge eingestimmt, zogen wir gleich bei der Abfahrt das Regenzeug an. Das war auch nicht unbedingt verkehrt, wenn auch nicht zwingend erforderlich, zuerst tröpfelte es nur immer mal wieder leicht. Das hatte immerhin zur Folge, dass wieder Norwegen-Feeling aufkam: Kurvenfahren bei Nässe und Regen. Immerhin: Gestern hatte ich auf den autobahnähnlichen Abschnitten noch gedacht, wir hätten eigentlich dafür mal wieder den Navi-Modus "kurvenreiche Strecke" testen können, heute war das überhaupt nicht mehr nötig. Und im Laufe der Zeit wurde der Regen mehr und mehr, bis es sich so richtig eingeregnet zu haben schien. Auch die Fernsicht nahm stark ab, hinter dem nächsten Hügel, nur wenige Kilometer entfernt, war jetzt Schluss. Aber schließlich hatten wir dieses Regengebiet offenbar durchfahren, es wurde wieder besser. Als wir in Olliergues an einer Stelle mit schöner Aussicht Pause machen wollten, holte es uns aber wieder ein, also hurtig weiter.

Jetzt waren wir schon richtig im Gebirge, die Straßen durchweg schön kurvig, wir näherten uns unserem Zielgebiet. Nur richtig trocken werden wollte es noch nicht, der Sonnenanteil des Wettervorhersagesymboles wollte sich einfach nicht einstellen. Statt dessen kam, als wir auf die erste Hochebene des Zentralmassivs gelangten, ein kräftiger Wind dazu. Und, als wäre das nicht genug gewesen, schlug der uns bei La-Chaise-Dieu noch einmal kurz eimerweise Wasser um die Ohren und ließ kleine Hagelkörner tanzen. Den Wind kannte ich schon; als ich vor vielen Jahren ebenfalls in einem September zum ersten Mal hier oben als Anhalter stand, hatte ich mich darüber noch etwas gewundert, bis man mir erklärte, das sei hier immer so. Aber damals betrug die Temperatur gefühlte 30 °C, da hatte er mich nicht gestört. Der Hagel jetzt war jedenfalls neu, auf alle Fälle in mehr als einer Hinsicht "frisch".

Hotel in Pradelles In Pradelles checkten wir dann im Hotel L'Arche ein. Die Motorräder durften wir direkt rechts und links neben die Eingangstür parken, und von unserem Zimmerfenster aus hatten wir eine prima Aussicht, der Ort lag nämlich oben an der Kante der Hochebene mit Blick auf ein Tal mit See. Der Abendspaziergang offenbarte einen malerischen kleinen Ort, und das Menü im Restaurant am Platz war zwar nichts Besonderes, aber dafür günstig, und der Regen schien für heute auch aufgehört zu haben.

Tagesstrecke 368 km, km 73605

Mo, 18.09.2017

Dieses Haus war mit zwei Sternen ausgestattet, meiner Meinung nach war der erste für die Aussicht und der zweite für die Dusche. Eine supermoderne Nasszelle mit wahlweise Wasser von oben, aus der Handbrause oder aus einer Reihe vertikal angebrachter Massagebrausen, alles vielfältig verstellbar. Zu einer Aberkennung wäre es jedoch beinahe beim Frühstück gekommen, als der Wirt auf meine Bestellung "Darjeeling" zurückkam mit den Worten, die Sorte hätte er nicht, und mir statt dessen einen Beutel Earl Grey anbot. Es gab aber auch noch normalen Schwarztee, da konnten die Sterne meinetwegen an der Hausfassade hängenbleiben.

Blick aus dem Hotelfenster Einen Wetterbericht gab es auch: Bewölkt, aber hoffentlich kein Regen mehr. So stellte ich schnell unsere erste Tour ohne Gepäck auf dieser Reise zusammen: Ein Stück längs der Kante der Hochebene nach Norden, dann hinunter zum See (denn Ulrike mag Seen), weiter erst westlich, dann nördlich, zurück entlang des Tales des Allier, meistens auf ziemlich kleinen Straßen. Der See war zwar nicht besonders nett, ein Stausee halt, nicht bis an seine volle Kapazität gefüllt und somit einen Streifen kahle Ufer zeigend, aber ansonsten war die Landschaft schön, und das Fahren auf den kleinen und einsamen Routen machte viel Spaß. Ich mag die Landschaft auf den hiesigen Hochebenen sehr: Leicht hügelige Wiesen, durchsetzt mit Bäumen und Waldstücken, meist Nadelholz, und Buschwerk, oft Ginster.

Dass das Benutzen kleiner Straßen indes seine Tücken hat, merkten wir, als wir in so einem Waldstück an eine Einschlagstelle kamen und sich vor uns ein Holzlaster in Bewegung setzte. Naja, "Bewegung" war relativ. Die Fahrbahn war gerade mal breit genug für ihn selbst, dementsprechend langsam musste er fahren, und an ein Überholen war gar nicht zu denken. Eine Weile lang genoss ich den Geruch frisch gesägten Grünholzes, aber meine Hoffnung, es würde jemand entgegenkommen und wir könnten bei dem unvermeidlich schwierigem Ausweichmanöver irgendwie durchschlüpfen, trog. So hielt ich an einer schönen Stelle an und ließ ihn ziehen bzw. zockeln. Ein Fußgänger kam daher, begrüßte uns angesichts unserer Kennzeichen mit "Gutten Tagg!". Nachdem ich mit "bonjour" geantwortet hatte, erzählte er mir in seiner Muttersprache lang und breit, dass er in einer deutsch-französischen Einheit im Schwarzwald Militärdienst geleistet hatte, dass das Wetter hier die letzten 10 Tage außerordentlich schlecht gewesen sei, kalt und nass, es aber nun bald besser werden solle, und noch so einiges, ging dann aber weiter. Und wir fuhren auch weiter, nicht ohne allerdings wieder einmal die Regensachen hervorgeholt und angezogen zu haben.

besseres Wetter Es war nur eine vergleichsweise kurze "Durst"strecke zu durchleiden, und es regnete auch nicht allzu heftig, so waren wir das ja schon längst gewöhnt. Und nachdem wir etwa die Hälfte der Tour geschafft hatten, klarte es auf, und es kam sogar die Sonne durch! Zuerst dampfte es noch an einigen Stellen auf dem Asphalt, aber nachdem die Feuchtigkeit überall verflogen war, kam richtig Freude auf. Nur von dem Allier hatten wir nicht ganz so viel gehabt wie erhofft, meist verlief die Straße weit oben im Tal, und man konnte den Fluss gar nicht sehen. Und diese engen Kurven zu befahren war auf die Dauer auch etwas anstrengend. Aber da konnte man ja an einer schönen Stelle noch einmal anhalten und Pause machen.

Pausenstelle kurz vor der Jagd Nach einer Weile hielt ein Pickup, und zwei Männer in Warnwesten stiegen aus, die mit Funkgeräten oder ähnlichem bestückt waren und irgendetwas suchten. Kurz danach hielt ein weiterer Wagen, und eine Frau und noch ein Mann gesellten sich dazu. Während einer der beiden ersten den Hang hinaufkletterte, fragte ich den letzten, was es denn wäre, was sie da jagten, und bekam zur Antwort: "Wildschweine". Als die drei dann aber anfingen, laute Lockrufe abzugeben, dachte ich, dass die Schweine ja wohl so wild nicht sein konnten, und ob er mich eben wohl veräppelt hatte. Es zeigte sich aber, dass er meine Frage wohl wahrheitsgemäß beantwortet hatte, aber die Jagd wohl vorbei war und es jetzt galt, die Hunde wieder einzufangen. Diese trugen GPS-Sender am Halsband, und die Menschen hatten die zugehörigen Ortungsgeräte.

Zurück in Pradelles offenbarte der zweite Abendspaziergang mit dem zweiten Blick viel Leerstand und Verfall im Ort, und die Speisekarte des nächsten Restaurants war auch sehr übersichtlich.

Tagesstrecke 248 km, km 73853

Di, 19.09.2017

Das Thermometer an der Apotheke 2 Häuser weiter zeigte stolze 4 °C! Und das Wetterradar wies ein Regengebiet aus, das zur Zeit über die Region hinwegzog, in welche Ulrike unsere heutige Runde gelegt hat (ostwärts von hier). Dann konnten wir uns heute mit dem Aufbruch noch etwas Zeit lassen, nachher sollte das besser werden. Lange hat unsere Geduld jedoch nicht gereicht, um 1100 Uhr brachen wir auf. Inzwischen sah nämlich der Himmel etwas besser aus, und das Thermometer war auf 7 °C geklettert.

Schon nach den ersten paar Kilometern zeigte sich, dass Geduld eine wünschenswerte Tugend ist. Ein eisiger Wind pfiff über die Hochebene, mein Bordthermometer zeigte weniger an als die Apotheke, und bald schon sprenkelten erste kleine Regentropfen auf unsere Visiere. Dieser Aufbruch war viel zu früh! Aber nun waren wir unterwegs, da hieß es: Regenzeug an, Heizgriffe auch, Zähne zusammen und Augen auf für die Landschaft. Denn die war und blieb unverändert schön, wie überall hier in der Gegend. Allerdings hatte unsere Tour uns mittenmang in ein Regengebiet geführt. Am Gerbier de Jonc hätte man theoretisch sehr weit gucken können, und irgendwo hier musste auch die Quelle der Loire sein (die Loire, auf der wir schon mehrfach lange Gepäckfahrten per Kajak in Sonnenglut unternommen hatten, hach), aber jetzt war uns nicht nach Abstechern oder auch nur Pausen. Und auch die Heizgriffe helfen nur dann, wenn man keine Straßen befährt, auf denen man oft den Gang wechseln und deswegen ständig zur Kupplung greifen muss. In Mézilhac schnitt Ulrike darum einen Teil aus der Route aus, und wir wandten uns nach Süden.

Hochebenenpanorama

Und nun wurde das Wetter besser. Bald konnten wir unser Gummizeug wieder ausziehen, und wir machten Pause auf der Terrasse eines Lokales in einem kleinen Ort unterwegs, draußen in der Sonne sitzend und ein kleines Kätzchen kraulend. Das Tier hat vermutlich auf etwas Essbares gehofft, aber die Küche hatte zu, es gab nur Getränke. Laut Werbeplakat gab es in der Nähe auch "Bio-Paintball", als ob die Verwendung von natürlichen Stoffen Kriegsspiele akzeptabler machen würde.

Talabschnitt zwischen den Hochebenen Für die letzten ca. 50 Kilometer mussten wir uns allerdings dann wieder gegen Regen wappnen, der hier jedoch nur noch leicht tröpfelte. Und beim Hotel waren sie wie heute früh immer noch dabei, den Asphalt der Straße abzufräsen, bei der Abfahrt sahen unsere weißen Motorräder schon ganz marmoriert aus. Nach dem nun fälligen Kettenölen bei Ulrikes XJ gönnten wir uns zum Ausgleich für die wenigen Kilometer heute noch Crêpes (L'Ardèchoise mit 2 Sorten Eis, Maronencreme und massenhaft Schlagsahne) in der Brasserie am Platz. Zum Abendessen gingen wir diesmal in das Restaurant unseres Hotels, das voller englischer Wanderer war. Hier gab es diesmal überhaupt keine Auswahl, sondern nur "das Menü", aber das war in Ordnung:

Tagesstrecke 168 km, km 74021

Mi, 20.09.2017

Causse de Sauveterre Der Himmel wie auch die Temperaturanzeige der Apotheke war heute früh unverändert. Trotzdem waren wir um 930 Uhr abfahrbereit, und zwar samt Gepäck. Und die Wettervorhersage sollte heute Recht behalten: Bald fing es an, aufzuklaren, und nach einer Stunde fuhren wir bei schönstem Sonnenschein. So hatten wir das bestellt! Zunächst fuhren wir auf der D906 nach Süden. An einem Aussichtspunkt mit Blick auf einen Stausee machten wir kurz Halt und schnackten dabei mit einem Motorradfahrerpärchen, das auf einer Africa Twin mit Offenburger Kennzeichen unterwegs war und auch über das Wetter der letzten Tage klagte. In Génolhac bogen wir nach Westen um in das Tal des Tarn. Und war vorher die Landschaft schon schön, so wurde sie nun richtig spektakulär. Zugegebenermaßen kannte ich die Gegend hier von früher, auf diesem Fluss bin ich auch schon Kajak gefahren.

Markt in Pont-de-Montvert In Pont de Montvert machten wir die erste größere Pause. In dem Buch von Lino Battiston [7] wurde das Restaurant "La Truite Enchantée" sehr empfohlen, indes kochten sie dort nur für Hotelgäste, und ich hatte gestern vergeblich versucht, dort ein Zimmer zu buchen. Der Pizzapavillon hatte Mittwochs Ruhetag, aber in einem Café bekamen wir Croques und Getränke mit Blick auf den (fast trockenen) Fluss und das Marktgeschehen im Ort.

Tunnel in den Gorges du Tarn Auf der Weiterfahrt habe ich aufgehört, zu zählen, wie oft die Straße unter pittoresken Felsbögen hindurchführte, nachdem die Zahl zweistellig wurde. Überhängende Felsen gab es noch viel häufiger. Das sah zwar sehr schön aus, hinderte allerdings mehrere Wohnmobile daran, sich auf der rechten Straßenseite zu halten. Insbesondere bei Begegnungen mit anderen breiten Fahrzeugen gab es dann unliebsame Verzögerungen. aber mit unseren kräftigen Motorrädern konnten wir solche Hindernisse schnell hinter uns lassen. Hinter Ste. Énimie machte ich einen kleinen Abstecher nach Saint-Chély-du-Tarn, wo eine sehr schöne Brücke den Fluss überspannt. Hier guckten wir auch in die romanische Kirche des Ortes, die allerdings in Ulrikes Augen ganz schlecht wegkam: Die Wände waren seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten nicht gemalt worden, die Spinnweben vor den zwei einzigen bunten Fenstern seit Monaten, wenn nicht Jahren nicht entfernt, und Ulrike meinte, sie könne einfach nicht glauben, dass man das ganze Geld statt dessen an die Armen verteilt habe. Weiter unten im Flussverlauf habe ich den Besuch des Pas de Soucy (einer Stelle, wo ein Stück Berg in den Fluss gefallen und diesen verschüttet hat) ausgelassen, weil wir hier vor vielen Jahren schon einmal waren.

In der kleinen Stadt Sévérac le Château angekommen, suchten wir zunächst einen Supermarkt der Kette Intermarché auf. Hier wollten wir nicht nur neue Pausenkekse kaufen, sondern auch unsere Wäsche waschen, denn wir hatten schon früher gesehen, dass hier neuerdings immer ein paar Münzwaschmaschinen standen. Das kostete uns zwar neben 12 € auch anderthalb Stunden Zeit, aber die gewaschene Wäsche sollte dann auch für die Zeit bis Karlsruhe reichen. Während der Wartezeit suchte Ulrike per Smartphone das Hotel Le Commerce aus, wo wir auch problemlos auch für zwei Nächte ein Zimmer bekamen. Natürlich wurde vor dem Abendessen noch das Städtchen per Spaziergang erkundet, sehr mittelalterliche kopfsteingepflasterte enge Gassen mit alten Häusern, einige davon allerdings auch zu verkaufen. Und das Château lag weit oben, da hochzusteigen hatten wir heute keine Lust mehr. Aber man konnte auch hochfahren, am Wegweiser zum Parkplatz stand allerdings payant, kostenpflichtig. Das wollten wir uns dann morgen am Ende der Tour mal angucken.

Tagesstrecke 238 km, km 74259

Do, 21.09.2017

auf der Hochebene Entgegen unserer üblichen Methode, uns beim Planen und Vorwegfahren abzuwechseln, war es auch heute an mir, die Route festzulegen, denn ich hatte ein paar Stellen ausgeguckt, wo ich hinwollte. Vor allen Dingen wollte ich mir die Causses = Hochebenen genauer angucken, denn davon hatte ich bisher wenig gesehen. Da oben kann man halt nicht paddeln, und auch als Anhalter wäre ich schlecht beraten gewesen, mich auf den ganz kleinen Straßen da oben herumzutreiben.

Als erstes ging es recht gerade hoch nach Norden. Dabei kreuzten wir unterwegs irgendwo den Jakobsweg, genauer gesagt eine der vier offiziellen französischen Strecken, nämlich die Via Podiensis (GR65). Hier liefen jedenfalls eine Menge Wanderer eintlang eines gut ausgetretenen Pfades neben der Straße. Und der Ort Aubrac, durch den wir dann fuhren, wirkte auch sehr touristisch. In Pradelles und in Pont de Montvert hatten wir es ja schon mit der Route von Stevenson (GR70, [6]) zu tun bekommen, hier hatten wir jetzt also die beiden berühmtesten Wanderstrecken der Gegend.

Causse Méjean Arcade des Bergers Über die Causse Méjean ging es dann wieder zurück nach Süden. Im Gegensatz zu den Talstrecken hatte man hier oben einen weiten Blick, und teilweise war die hügelige Landschaft auch nur spärlich bewachsen. Das war ein durchaus schönes Kontrastprogramm zu den Talstrecken gestern. Zwischendurch ließ es sich auch nicht vermeiden, einmal nach unten zu fahren, denn wir wollten auf die andere Seite des Tarn. So kreuzten wir in Ste. Énimie unsere Route von gestern und konnten auf der anderen Seite von oben noch einmal einen netten Blick auf Saint-Chély-du-Tarn werfen. Und da man ja auch das Auge nicht einseitig ernähren soll, folgte später noch ein Abschnitt tief unten im Tal der Jonte. Höhepunkt davon war der Arcade des Bergers, ein Steinbogen oben in den Felsen.

Zurück in Sévérac fuhren wir dann wie geplant noch hoch zum Château. Da ging es ganz schön steil und eng hinauf, zum Glück begegnete uns unterwegs niemand (auch wenn ich zugeben muss, dass das noch weniger schön wäre, wenn wir auch mit einem Auto unterwegs gewesen wären). Oben angekommen, stellten wir fest, dass die Saison schon zu Ende und wir die einzigen waren. Der Parkplatz war leer, das Kassenhaus geschlossen. Die Burg bestand allerdings auch nur noch aus einer Ruine, die unserer Meinung nach das Zahlen von Gebühren nicht lohnte. Aber eine nette Aussicht auf die Altstadt und die Gegend hatte man hier.

Wächter von Sévérac le Château Gestern beim Spaziergang waren wir an einer Pizzeria in der Altstadt vorbeigekommen, wo man draußen sitzen konnte, und heute gingen wir der Abwechslung halber dorthin zum Abendessen. Die Küche machte allerdings erst in einer Viertelstunde auf, und man war zudem sehr erstaunt darüber, dass wir nicht drinnen sitzen wollten, das sei doch kalt und so. Ich versprach, dass wir hineinkommen würden, wenn es uns zu frisch würde, aber wir kämen halt aus dem Norden von Deutschland und wären das gewohnt. Und außerdem hatten wir unsere Fleecejacken dabei. Die Pizza kam und war richtig gut, und gleiches galt für die bières blondes de la pression. Und als es schon fast dunkel war, ging ich hinein, beteuerte, dass es draußen immer noch angenehm sei und bekam eine dritte Runde. Die Stadt war total ruhig und der Abend wunderschön.

Tagesstrecke 248 km, km 74507

Fr, 22.09.2017

Tafelberg Der Himmel zeigte sich von einem Wolkenschleier überzogen, sehr zart allerdings und überhaupt nicht störend. Heute sollte es auch wieder weitergehen. Zuerst wollte ich noch eine Hochebene besuchen, nämlich den Larzac. Das bedeutete allerdings einerseits, dass wir dafür den Bereich unserer Detailkarten (in diesem Fall [2]) verlassen mussten, und andererseits, dass auch heute ich wieder Planer und Vorwegfahrer sein würde. Mein Versuch, die Stadt Millau westlich zu umfahren, war zwar nicht erfolgreich, bescherte uns aber einen ganz netten Routenabschnitt oben an der Kante zum Tal, von wo aus wir mehrere schöne Ausblicke hatten. In der Ferne ein tiefliegendes weißes Wolkenfeld noch unterhalb einer Hochebene, davor eine Art Tafelberg mit Plateau. An einer Stelle wurde uns per Schild die Aussicht auf den Viaduc de Millau angekündigt. Ich hatte mir darunter ja eine Art Brücke mit ca. 20 steinernen römischen Rundbögen vorgestellt, tatsächlich handelte es sich jedoch um eine 2004 erbaute Autobahnbrücke aus Beton, die zumindest Ulrike optisch ansprechend fand.

Der Larzac Der Larzac ist wohl die trockenste aller Hochebenen des Zentralmassifs, zumindest soweit ich sie gesehen habe. In weiten Teilen nur spärlich bewachsen von einem Kraut, was aus der Entfernung bläulich aussieht, dazwischen einzelne Büsche mit ziemlich braunen Blättern. Mir bekannt aus einem Buch [8], in dem es darum geht, wie sich die Bewohner der Region in den 70ern gegen ein großes Militärübungsgebiet hier oben zur Wehr gesetzt haben. In St. Martin de Larzac machten wir eine Weile Halt. Hier konnte man ein steinzeitliches Grab (Dolmen, lohnte meiner Meinung nach nicht den knappen Kilometer Fußweg) sowie die Kirche besichtigen. Die Kirche sah zwar auch ärmlich aus, aber sie war sauber und fand deshalb auch in Ulrikes Augen Gnade. Hier gab es eine Menge Informationstafeln über die Geschichte des Ortes, und auch die im Zuge des Widerstandes herausgegebene Zeitung ("Garderem Lo Larzac") konnte man hier mitnehmen, es gab sie noch immer. Mich hat das gefreut, zu sehen, dass sich daraus etwas Gutes, nämlich eine Gemeinschaft von Menschen mit Zusammenhalt offenbar dauerhaft entwickelt hat. Bei der Weiterfahrt konnten wir sehen, dass es hier auch immer noch Militärgelände gab. Rechter Hand standen eine ganze Zeit lang entsprechende Schilder, die allerdings allesamt per Spraydose verballhornt waren.

Ganz kleine Straße am Rande des Larzac Bei dem Versuch, wieder hinunter ins Tal zu kommen, gerieten wir auf eine ganz kleine Straße (zur Erinnerung: Wir hatten hiervon keine genaue Karte), die kaum breit genug für ein Auto war, sich in sehr engen Kurven den Berg hinunterschlängelte und zu allem Überfluss in der Mitte auch noch eine ordentliche Spur kleiner Steine aufwies. Das war echt anstrengend! Da mussten wir uns in Nant doch glatt vor ein Café am Marktplatz setzen und neben einem Kaltgetränk auch noch einen Eisbecher ("Dôme Aigoual" mit dieser leckeren Maronencreme) konsumieren. Weiter ging es nun auf mittelgroßen Straßen. Allerdings spielte uns dabei das Navi noch einmal einen Streich, indem es uns zwischen der D18 und der D9 noch einmal auf fast genauso kleine Straßen in die Berge schickte, weil der Umweg nach Norden bis fast Florac wohl doch zu groß gewesen wäre. Da bekamen wir zwar einige nette Aussichten zu sehen, das dauerte allerdings alles recht lange.

Da es, als wir drüben wieder im Tal ankamen, nun schon fünf Uhr durch war, wurde es langsam Zeit, nach einer Unterkunft zu suchen. Und nach nur wenigen Kilometern am Ortseingang von St.-Jean-du-Gard stand verlockend das Hotel La Corniche des Cévennes, wo wir ein nettes Zimmer bekamen und abends auch lecker essen konnten (Entrecôte mit einer Sauce von cèpes = Steinpilzen).

Tagesstrecke 213 km, km 74720

Sa, 23.09.2017

Nach dem Duschen machte ich das Fenster auf und guckte hinaus, und es sah ganz so aus, als hätte es in der Nacht leicht geschneit oder starken Reif gegeben. Das konnte doch aber nun gar nicht sein! War auch nicht so, sie hatten die schräge Betonaufschüttung zwischen dem Haus und der Mauer am Hang nur weiß angestrichen, und das wirkte eben auf den ersten Blick ganz wie leichter Schnee. Aber der Himmel war fast durchgängig blau, und bald waren wir wieder unterwegs.

Unser heutiges Ziel lag jenseits der berühmten Schlucht der Ardèche. Um dorthin zu kommen, mussten wir natürlich noch eine ganze Weile durch schöne Gegenden fahren, aber diesmal gab es nichts Besonderes darüber zu berichten. Zwischendurch hielt Ulrike, die ab heute für ein paar Tage die Führung übernommen hatte, vor einem Laden, welcher lokale Spezialitäten anbot. Richtig geraten, es ging um diese tolle Maronencreme, ein Glas für uns und ein Glas für unsere Gastgeber in Karlsruhe wanderten in meinen Seitenkoffer. Und das war keinen Augenblick zu früh, denn hinter mir wurde abgeschlossen, es war schließlich Wochenende, und Montag wollten wir schon in einer ganz anderen Gegend sein.

Pont d'Arc Schleife der Ardèche Die Gorges de l'Ardèche kannten wir natürlich schon. Zuletzt waren wir 2004 hier, mit Auto, Zelt und Kajaks, und auch damals (es war allerdings noch im April) hatte es viel geregnet. Glücklicherweise fanden wir hier eine Unterkunft (mit Zimmer, wir hatten die Nase voll), wo wir das Zelt in einer Scheune zum Trocknen aufhängen konnten, und trieben uns noch einen Tag in Weinmuseen etc. herum, bevor wir die Schluchtstrecke befahren mochten. Jetzt war der Bach ziemlich trocken, nichtsdestotrotz trieben sich eine Menge Leihbootfahrer auf dem Wasser herum. Am Pont d'Arc war es so natürlich nicht möglich, Fotos ohne Boote und Menschen darauf zu machen. So standen wir oben und amüsierten uns über Kinder und Jugendliche, die dort ihre Boote versenkten (mit Schmackes eine steile Böschung hinunter) und dann abgetrieben wurden, was bei der weiblichen Spezies nicht ohne weithin hörbares Gekreische abging.

Nach unserem letzten Besuch hier sind nicht nur neue Bootsverleihe und Campingplätze rund um Vallon Pont d'Arc entstanden, sondern oben in den Bergen auch eine Menge neuer Aussichtsplätze. Wir haben davon bei Weitem nicht jeden mitgenommen und sind doch der vielen Stopps wegen relativ langsam vorangekommen. So haben wir uns am Ende der Schluchtstrecke noch einmal jeder einen Eisbecher gegönnt, natürlich wieder mit dieser leckeren Creme, hier hieß das L'Ardèchoise). Der ist allerdings zumindest mir diesmal nicht ganz so gut bekommen, danach litt ich lange Zeit unter "Fressnarkose" (der Zustand, wenn man viel im Magen hat und sich überhaupt nicht bewegen mag), später hatte ich dann leichte Durchfallprobleme.

noch ein Tunnel Durch das Rhônetal ließ es sich ganz gut fahren, und hinter Nyons begannen wieder die Berge, und wir kamen noch einmal durch eine schöne Schlucht auf der D94. Hinter Rémuzat war es dann so langsam wieder Zeit für die Unterkunftssuche. Ulrike befragte booking.com und bekam in der Nähe im Ort St. André de Rosans die Ferme de la Condamine angeboten, wo wir auch sofort ein Zimmer buchen konnten (das letzte von 3, sehr gute Kritiken). Das mit dem Ort war allerdings relativ, wir mussten von St. André de Rosans aus noch 2 km durch die Walachei tuckern, bis wir ankamen. Aber wir wurden herzlich empfangen, bei der Wirtin hörte ich einen englischen Akzent, und sie kam auch von der Insel. So konnte auch Ulrike gut am Gespräch teilhaben. Wir bekamen ein sehr uriges und rustikales Zimmer zugewiesen und obendrein noch eine Einladung für eine kleine Party heute Abend. Sie feierten nämlich die Tag- und Nachtgleiche und hatten dafür die Eltern der Wirtin, Nachbarn und möglicherweise noch mehr Engländer eingeladen. Und diese kleine Party war wirklich der Hammer. In einer ebenso urig eingerichteten Stube tummelten sich ca. 30 Erwachsene, fünf Kinder wuselten herum, jemand machte Musik mit Gitarre und Gesang, und wir haben uns köstlich unterhalten. Schwierig war allenfalls, nicht zu wissen, ob man Englisch oder Französisch mit den Leuten sprechen sollte, aber das probierten wir einfach aus. Einzig der Umstand, dass ich mich nicht so gut fühlte, sorgte dafür, dass wir nicht so lange blieben, wie wir es sonst wohl getan hätten.

Tagesstrecke 282 km, km 75002

So, 24.09.2017

Die schöne Aussicht von gestern Abend ist über Nacht in Watte gepackt worden, Sichtweite nur wenige hundert Meter. Aber das löste sich bald auf, und es wurde wieder ein schöner Tag. Da ich allerdings in der Nacht mehrfach raus musste, fiel das Frühstück spärlich aus, statt dessen nahm ich meine Zuflucht zur Reiseapotheke. Doch bald waren wir wieder unterwegs. Die Landschaft blieb schön, ich muss allerdings sagen, dass ich zu der Gegend auf dieser Seite der Rhône deutlich weniger Bezug habe als zum Zentralmassiv.

See im Alpenvorland Nach einer Weile konnte man sehen, dass wir nun in die Alpen kamen, die Berge um uns herum wurden höher. Und herbstlicher schien es hier (oder heute) auch zu sein. Kurz vor Grenoble wurde getankt, dann aber ostwärts weitergefahren. Am Lac du Chambon war dann die Straße gesperrt, sie bauten/reparierten hier an einem Tunnel, und zwar laut Schildertext schon seit über einem Jahr. Während Ulrike, die hier in den Alpen das Regiment übernommen hatte, eine Alternativroute im Navi suchte, kamen zwei Spaziergänger und erzählten mir, dass es eine "Hilfsroute" (route de secours) auf der anderen Seite des Sees gäbe. Während Ulrike somit die alte Route im Navi wieder zurückholte, informierte ich den Fahrer eines Kleintransporters mit ungarischem Kennzeichen hinter uns darüber. Und die Hilfsroute gab es tatsächlich, sie war extrem kurvig und so schmal, dass auch auf den Abschnitten, wo sie nicht durch Baustellenampeln einspurig geregelt war, zwei PKW Mühe gehabt haben, aneinander vorbeizukommen. Der Ungar dürfte damit echt seinen "Spaß" gehabt haben.

Nun näherten wir uns dem ersten richtigen Alpenpass, dem Col du Lautaret. Das führte uns auf über 2000 Meter Höhe, hier wuchsen schon keine Bäume mehr. Aber auch der Bewuchs mit Gras und heideähnlichen Kräutern in vielfältigen Brauntönen hatte seinen Reiz. Und in der Nähe konnte man auch schon Berge mit deutlichem Schnee sehen. Klar, dass ich am Restaurant oben auf der Passhöhe mein Motorrad an den Rand des Parkplatzes für ein kleines Fotoshooting stellen musste. Als ich dann vom Toilettengang wiederkam, berichtete Ulrike mir von einem anderen Mann, der mit seinem Motorrad genau das Gleiche gemacht habe. Allerdings habe dessen Motorrad auf einem Anhänger hinter einem Kleinlaster gestanden und sei dafür nicht abgeladen worden.

Der nächste Pass folgte auf dem Fuße, der Col du Galibier. Da ging es noch einmal knapp 600 Meter weiter hinauf, und hier oben wurde das jetzt ganz schön kalt. Daran hatten natürlich meine luftdurchlässigen Sommerhandschuhe, die ich die letzten Tage stets getragen hatte, gehörigen Anteil. Aber mit beherztem Heizgriffeinsatz ließ sich das beheben, und es ging ja auch bald wieder hinunter auf der anderen Seite.

Dort fuhren wir noch ein Stück weit im Tal entlang, bis uns im Ort Modane am Bahnhof drei Hotels nebeneinander auffielen. Das erste hatte geschickterweise Sonntags geschlossen, aber im Hotel Le Commerce daneben bekamen wir ein Zimmer. Abendessen allerdings gab es hier nicht, ich wollte jedoch sowieso noch nicht, und Ulrike besorgte sich etwas aus einer Pizzeria nur wenige Häuser weiter.

Tagesstrecke 266 km, km 75268

Mo, 25.09.2017

Meine mit Enthaltsamkeit gepaarte Medikation schien geholfen zu haben, so konnten wir frisch gestärkt in den neuen Tag fahren. Beim Aufpacken fiel mir auf, dass neben dem Parkplatz ein Automat stand, welcher laut Beschriftung "Pizza artisanale" anbot. Nun bedeutet dieses Zusatzwort dabei "handwerklich", wird oft sogar im Zusammenhang mit Kunsthandwerk gebraucht. Ich konnte mir allerdings nur schwer vorstellen, dass da in dem Kasten (groß genug dafür war er aber) ein Mensch mit Baskenmütze sitzt und Teig knetet. Da sieht man mal wieder, was von Marketinggeschwafel oftmals zu halten ist.

Aussicht vom Col de l'Iseran Unsere Sammlung der Gebirgspässe erreichte heute mit dem Col de l'Iseran ihren sprichwörtlichen Höhepunkt. Dies ist nämlich mit über 2700 Metern über dem Meeresspiegel der höchste auf Asphalt befahrbare Gebirgspass der Alpen. Obwohl die Sonne schien, war es hier oben jetzt richtig "schattig". Überall um uns herum gab es nicht nur grandiose Berge, sondern auch Schnee zu sehen, ein paar kleine Flecken lagen auch direkt neben Straße und Parkplatz. Für einen Schnee-Engel hat das zwar nicht gereicht, für die Heizgriffe schon, und meinen Pullover habe ich auch aus dem Koffer geholt und angezogen.

Abfahrt in das Tal des Doron Im Tal der Isère wurde es nicht viel wärmer, und auf der anderen Seite ging es dann wieder hoch zum Cormet de Roselend. Erst bei der Abfahrt in das Tal des Doron wollten wir die Heizgriffe wieder abschalten. Diese Abfahrt und das folgende Tal gefiel mir auch landschaftlich sehr gut, hier wechselte nämlich das Hellbraun der Gegenden oberhalb der Baumgrenze wieder zu sattem Grün. Quasi als Ausgleich dazu begann nun aber auch der Himmel damit, sich zuzuziehen, am Lac d'Annecy war er vollständig bedeckt, und später setzte dann auch leichter Regen ein.

Ursprünglich hatten wir den Plan gehabt, jetzt zur Ferme Le Sillet zu fahren, wo wir vor einem Jahr diese Pferdewagentour gemacht hatten, und dort zwei Nächte zu verbringen. Das hatte ich jedoch der Flexibilität halber nicht vorgebucht, und als ich dort anrief, musste ich erfahren, dass sie jetzt geschlossen hatten bis zum 30. Oktober. Die Pferdewagensaison war offenbar vorbei, und jetzt bereiteten sie sich auf die Wintersportsaison vor. So fuhren wir heute nur noch kurz durch die Ebene (ein kleines Stück in der Schweiz), erklommen die Höhen des Jura und fanden gleich oben auf dem Col de la Faucille ein trockenes Zimmer im Hotel de la Couronne.

Tagesstrecke 294 km, km 75562

Di, 26.09.2017

Die Höhen des Jura Beim Aufstehen sah der Himmel wieder brauchbar aus, es war allerdings recht frisch, so dass wieder der Pullover herhalten musste. Das, was gestern auf mich den Eindruck eines einzeln stehenden Höhenzuges gemacht hatte, entpuppte sich als ein veritables Gebirge mit richtig tiefen Tälern. Dorthinein hatte ich zunächst einen Rundkurs hineingelegt, der bis nach dem Mittag vorhalten und uns sattes Motorradfahrerglück bescheren sollte, nachdem die Straßen erst einmal abgetrocknet waren. Es war relativ wenig Verkehr auf den von mir gewählten kleineren Straßen, und ein paar Wohnmobile konnten dank ihrer relativen Immobilität stets zügig überholt werden. Hier waren die recht steilen Berghänge eigentlich überall mit Mischwald bestanden, deren Laubanteil bereits deutliche Herbstfarben zeigte, während die Nadelbäume noch dunkelgrün waren, was der Landschaft ein buntes Bild gab. Ein paar hell bläuliche Farbtupfer kamen dazu durch die offenbar nur hier übliche Sitte, einige Hausfassaden oder sogar Kirchturmwände mit Zinkplatten zu verkleiden.

komisches "Siegel" So war lange Zeit alles in bester Ordnung, bis die Farbe Grau schließlich am Himmel überhandnahm und dann sogar freche Regentropfen mein Visier trafen. Eine Weile lang versuchte ich, auf die geplante Route im Navi zu pfeifen und die Richtung nach dem Wetter zu wählen. Aber das ging nicht lange, denn wir mussten irgendwann tanken, und auf ein paar geplante Punkte wollte ich auch nicht gerne verzichten. So wurde dann nach der Treibstoffaufnahme in die benachbarte und ebenfalls überdachte Waschbox geschoben und geguckt, was das Wetterradar zu der Angelegenheit zu sagen hatte. Die Antwort lautete: "Wird wieder!"

Quelle des Doubs Also warteten wir noch eine Weile und fuhren dann halbwegs trocken zu unserem nächsten Ziel: Der Quelle des Doubs. Den Fluss selbst kannte ich natürlich, fließt er doch in einer schönen Schleife unterhalb der Zitadelle von Besançon durch die Stadt, und gepaddelt bin ich darauf während meines Aufenthaltes dort selbstverständlich auch schon. Indes hier war ich bislang noch nie. Lohnenswerter für einen Besuch und mir auch schon bekannt war dann das zweite Ziel auf meiner heutigen Liste: Die Quelle der Loue. Läuft das Wasser des Doubs lediglich aus einem relativ kleinen Loch in der Felswand, ist es bei der Loue eine echte Höhle. Beide Stätten waren kaum besucht, wir konnten uns dort in aller Ruhe umgucken.

Quelle der Loue Darüber war es dann doch spät geworden. So richtete ich den Kurs auf Pontarlier zwecks Unterkunftssuche, aber noch auf dem Weg dorthin kamen wir an der Ferme Hôtel de La Vrine vorbei, wo meine Frage nach einem Zimmer dazu führte, dass wir unsere Häupter betten und vorher auch noch lecker essen konnten. Der Kellner sprach Deutsch, und zwar sehr gut, womit aber klar war, dass nicht er es gewesen sein konnte, der die Speisekarte in eben diese Sprache übersetzt hatte. Denn wir rätselten lange, was "beschäftigte Sauce" bedeuten sollte, die ich zu meiner "Trout von der Loue" bekommen haben sollte. Im Original hieß es auch nur "Sauce Meunière".

Tagesstrecke 297 km, km 75859

Mi, 27.09.2017

Unser Zimmer war mit Dachflächenfenstern ausgestattet, und ich konnte mal wieder einen Effekt beobachten, der daran Schuld hat, dass ich, obwohl ich mal für Velux gearbeitet habe, solche Fenster nicht besonders mag: Man guckt vom Bett aus darauf und denkt "Bäh, Regen", dabei war es nur Tauwasser, was auf der Scheibe lag. Vertikalfenster sind einfach trockener, und heute Morgen war es das draußen auch. Beim Frühstück fiel auf, dass auch französische Radiosender morgens die gleichen Titel spielen wie am Vorabend, ob sie sich genauso wie bei uns mit ihrer Musikvielfalt brüsten, kann ich nicht sagen, ich nehme das aber mal an. Da es das Frühstück hier schon um 800 Uhr gab, waren wir ziemlich früh auch schon wieder unterwegs.

Die Täler des Jura Zunächst fuhren wir noch ganz nett den Rest des Jura hinunter nach Norden, teilweise im Tal der Loue. Dann ging es bei Besançon über den Doubs und auf der anderen Seite weiter. Dort wurde dann passenderweise das Wetter schlechter, der Himmel wurde mittelgrau und die Luft sehr diesig, fast neblig. Das besserte sich aber mit der Zeit wieder, und am Nachmittag zeigte sich auch wieder die Sonne. Eigentlich war dieser Abschnitt recht unspektakulär, wenn man berücksichtigt, dass wir ja bislang reichlich verwöhnt wurden mit tollen Landschaften. Und richtig langweilig war die Gegend hier auch nicht, mal Wald, mal offene Felder, immer leicht hügelig. Und zwischendurch ist Ulrike mal wieder geblitzdingst worden. Das war jetzt auf dieser Reise wohl schon das dritte Mal, und ich bekomme das ja auch nur mit, wenn sie wie heute vor mir fährt. Mal gucken, inwieweit diese Sache nicht vielleicht noch ein Nachspiel haben wird.

Schließlich erreichten wir mit den Vogesen wieder gebirgigere Gegenden. Da wir heute sehr viel und praktisch ohne Aufenthalt gefahren waren, suchten wir uns recht zeitig unser Zimmer im Le Val Joli in der Nähe von Gérardmer. Die Zimmer waren hier sehr künstlerisch eingerichtet, und beim Aufbruch zum Abendspaziergang entdeckten wir hinter dem Haus aufblasbare Kuppeln, in denen Doppelbetten standen und bei denen darüber die Kuppel durchsichtig waren, so dass man nachts den Sternenhimmel sehen konnte.

Tagesstrecke 386 km, km 76245

Do, 28.09.2017

Vogesen Zum Aufstehen gab es wieder einmal brauchbare Wetteraussichten und zum Frühstück leckere "selbstgemachte" Marmelade mit vielen dicken Fruchtstücken drin und Obstsalat, der auch nicht aus der Dose stammte. Auch ohne das hatten wir schon beschlossen, unseren Aufenthalt hier um einen Tag zu verlängern. Denn unsere letzte Reiseetappe nach Karlsruhe betrug auf direktem Wege nur noch etwa 170 Kilometer, da konnten wir heute gut noch eine Tagesrunde ohne Gepäck machen.

Vogesener Heide Deren erster Zielpunkt lag oben auf dem Col de la Schlucht (sic) ganz in der Nähe. Dort hatte ein großes Souvenirgeschäft geöffnet, und ich ging kurz hinein, um vielleicht einen Aufkleber für meine Motorradkoffer zu ergattern, und fand zusätzlich auch noch eine gute Karte von dieser Gegend [5]. Damit konnte ich die Route, die ich anhand der recht groben Karte [1] hatte planen müssen, noch um einiges verbessern. Und damit stand uns mal wieder ein richtig schöner Tag bevor. Hatte ich nicht neulich etwas von Motorradfahrerglück geschrieben? Hier war es jedenfalls wieder. Hier war der Anteil Laubbäume höher als im Jura, und die waren inzwischen fast alle gelb. Auf den Höhen kam teilweise noch eine Art Heidekraut mit leuchtend roten Blättern hinzu. Das Ganze überwiegend bei Sonnenschein, man konnte durchaus mit Recht das Wort vom Goldenen Oktober bemühen.

So sind wir den ganzen Tag auf meist kleinen bis mittelgroßen Straßen unterwegs gewesen, über diverse Pässe gefahren wie den Ballon d'Alsace und den Grand Ballon. Von letzterem aus soll man die Alpen sehen können, dafür war es heute aber zu diesig, doch wir konnten immerhin über das Rheintal hinweg auf den Schwarzwald gucken.

Alles in Allem waren wir so schön zugange auf diese Weise, dass wir erst Viertel vor Sieben wieder bei unserer Unterkunft ankamen, und um Punkt 1900 Uhr gab es Abendessen, und auch das wollten wir natürlich nicht verpassen.

Tagesstrecke 272 km, km 76517

Fr, 29.09.2017

Pause Bei anhaltend gutem Wetter Aufbruch zur vorerst letzten Etappe. Diesmal wurde sie wieder von Ulrike angeführt, weshalb ich gar nicht immer genau sagen kann, wo es so im Einzelnen langging. Aber schön war es wie gehabt, das Glück von gestern setzte sich fort. Und diesmal fuhren wir nicht an einem Blitzkasten, sondern an einer Radarpistole vorbei. Aber nichts ist passiert, was vermutlich daran lag, dass Ulrike sich gerade über ein englisches Wohnmobil ärgerte, das da mit 40 vor ihr hertuckerte.

<I>Champs du Feu</I> Mein Eindruck war ja, dass, je weiter nach Norden wir kamen, das Gelb der Laubbäume umso seltener wurde. Jedenfalls wurden die Berge allmählich immer flacher. Gerade, als ich dachte, jetzt wäre das alles gewesen, kam noch der Col du Pigeonneur mit einer netten Abfahrt dahinter im Wald. Dann waren wir in Wissembourg, und es wurde tatsächlich eben. Die letzte Pause machten wir kurz vor der Grenze an einem kleinen Rastplatz. Hier hatten sie es mit der Vogelfütterung für meinen Geschmack reichlich übertrieben. In der Birke neben unserer Bank hingen bestimmt ein Dutzend Meisenknödel und ein halbes Dutzend Röhren mit Sonnenblumenkernen. Und wir waren hier weit außerhalb jeder Ortschaft. Ulrike meinte, das sei eigentlich für die Katzen dieser Gegend. Die würden abends vorbeikommen und alle diejenigen Vögel einsammeln, die so vollgefressen wären, dass sie nicht mehr hochkämen.

Jedenfalls kamen wir am frühen Abend bei unserer Verwandtschaft in Karlsruhe an, und damit war unsere Frankreichtour im Prinzip zu Ende.

Tagesstrecke 318 km, km 76835

Sa, 30.09.2017

Modellbauen mit meinem älteren Neffen (für den Vormittag war schlechtes Wetter angesagt) und Besuch vom Kinderfest beim Spielzirkus im Otto-Dullenkopf-Park von Karlsruhe.

So, 01.10.2017

Ausflug zum Urweltmuseum in Holzmaden, Fossiliensuche im Schieferbruch nebenan, dann (weil die Gutenberger Höhle schon um 1600 Uhr geschlossen wurde und uns nichts Besseres einfiel) noch ein Spaziergang durch das Schopflocher Moor.

Mo, 02.10.2017

Modellbauen und Besuch im Naturkundemuseum von Karlsruhe.

Di, 03.10.2017

Aufbruch, nachdem das Regengebiet pünktlich nach dem Frühstück durchgezogen war. Rückfahrt auf bewährter Strecke in drei Etappen (Autobahn bis Marburg, Landstraße bis Rinteln, Rest wieder per Autobahn). Die ersten beiden Abschnitte waren gerade noch trocken genug, um nicht das Regenzeug hervorholen zu müssen. Aber einen doppelten Regenbogen haben wir gesehen. Den letzten Abschnitt dann mit Regenbewehrung, und das war auch nötig. Abendessen wegen leerem Kühlschrank beim Griechen um die Ecke.

Tagesstrecke 648 km, km 77483
Gesamtstrecke 5535 km (der zweite, große Teil)

Nachspiel

Etwa einen Monat nach unserer Rückkehr bekam Ulrike einen Brief aus Frankreich mit einer Zahlungsaufforderung:

Datum:So, 17.09.2017 1202 Uhr
Ort:D 994 Richtung Gueugnon, Digoin
(in Digoin hatten wir die Loire überquert)
Gemessene Geschwindigkeit:96 km/h
Geschwindigkeit nach Toleranzabzug:91 km/h
Zulässige Höchstgeschwindigkeit:90 km/h
Geldbuße:45 €

Sie hat sich sehr schnell entschlossen, das zu bezahlen, es lohne sich nicht, wegen dieser Summe irgendwelche Klimmzüge zu machen und dann womöglich später in diesem schönen Land noch einmal Probleme zu bekommen.

Literatur und Karten

[1] France 1:1.000.000, Michelin Cartes et Plans, 2013, ISBN 978-2-06-718176-2

[2] Auvergne/Aubrac 1:150.000, Michelin Cartes et Plans No. 330, 2013, ISBN 978-2-06-713433-1

[3] Ardèche 1:150.000, Michelin Cartes et Plans No. 331, 2013, ISBN 978-2-06-713434-8

[4] Motorrad Powerkarten Alpen und Gardasee, 1:250.000, Good Vibrations, ISBN 393741823-7

[5] Alsace, Lorraine 1:200.000, Michelin Cartes et Plans No. 516, 2017, ISBN 978-2-06-721924-3

[6] Stevenson, Robert Louis: Voyage avec un âne dans les Cévennes, Union Générale d'Éditions, 1978, ISBN 2-264-00827-X
Habe ich gekauft, als ich in den Achtzigern zum ersten Mal per Anhalter dort in der Gegend war.
Original: Travels with a donkey in the Cévennes, 1879

[7] Battiston, Lino: Mit Rucksack & Gitarre, Auf dem Chemin de R. L. Stevenson durch die Cevennen, Books On Demand, 3. Auflage 2015, ISBN-10: 3732243435, ISBN-13: 9783732243433

[8] Hertle, Wolfgang: Larzac 1971 - 1981, Weber, Zucht & Co., Kassel 1982, ISBN 3-88713-001-4


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